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Zimtschnecke

Die Zimtschnecke ist ein leckeres Symbol

Versöhnliches Gebäck

Die Zimtschnecke beschließt ein Menü oder ist ein kleiner Appetithappen für Zwischendurch. Sie ist mit ihrem verführerischen Duft nach Zimt und frischem Backwerk ein wahrer Glücksbringer in der Küche und bringt Kinderaugen an einem verregneten, kalten Tag zum Leuchten.

Die Schweden benennen nicht nur das bei uns so ganz sachlich bezeichnete @ oder at-Zeichen nach der Zimtschnecke, sondern feiern deren gebackenes Vorbild am 4. Oktober eigens mit einem Kanelbullen- dem Zimtschneckentag. Die Zimtschnecke regt nicht nur zum Naschen sondern ihre Form zuweilen auch zum philosophierenden Nachdenken an. Wo ist ihr Beginn, wo ihr Ende? Was symbolisiert sie und warum ist sie eine Schnecke, die alle mögen?

In seiner Erzählung „Ein kleiner Segen“ – die Robert Altman als Vorlage für seinen Film „Short cuts“ diente – vermischt Raymond Carver die verschiedenen Wirklichkeiten des Lebens, die normalerweise getrennte Entitäten bilden. Ann und Scotty bestellen beim Bäcker eine Geburtstagstorte für ihren kleinen Sohn, doch der Junge wird von einem Auto angefahren, liegt an seinem Geburtstag im Krankenhaus und fällt unter den Augen seiner verzweifelten Eltern ins Koma. Die Anrufe des Bäckers, der auf die Abholung und Bezahlung seiner Torte drängt, werden immer verzweifelter und, da sie nicht in die Welt der trauernden Eltern vordringen, zunehmend aggressiver. Die komische Grausamkeit der Geschichte liegt in der Montage dieser beiden Welten der Kranken und Gesunden und als Verzweiflung und Aggressivität. Erst als der Sohn stirbt, haben die Eltern Zeit ,sich darum zu kümmern, wer sie mit lästigen Anrufen terrorisiert und stellen den Bäcker nachts in seiner Bäckerei zur Rede. Als die unterschiedlichen Parteien begreifen, was passiert ist, und welche Verwirrung sie unwissentlich in der Welt des Anderen getragen haben, glätten sich die Wogen und alle essen zur Versöhnung  – Zimtschnecken.

Welch schöneres literarisches Denkmal ließe sich für dieses unscheinbar grandiose Gebäck denken? In der zunächst erschienenen stark gekürzten Version der Geschichte von Raymond Carver unter dem Titel „Das Bad“, kam das Gebäck gar nicht vor. Offensichtlich hatte Carvens Lektor Gordon Lish kein gastrosophisches Gespür und kürzte die Zimtschnecke zusammen mit 75 Prozent des Textes weg. In ihrer ursprünglichen Version entfalten die Texte Carvers eine ganz andere Grundstimmung. Im Vergleich mit den ungeschnittenen und den durch das Lektorat stark gestrafften Versionen kann man die Innen- und Außenwirkung dieser Geschichten erfassen.

Gerade daher lohnt sich die Entdeckung der ursprünglichen Texte des amerikanischen Kultautors, die nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegen. Und achten Sie darauf, ausreichend @-Schnecken vor der Lektüre zu backen.

PS: Im Hebräischen wird das @-Zeichen mit den deutschen Wort "Strudel" bezeichnet.

Für Sie gelesen
Raymond Carver. Beginners. Uncut. S. Fischer Verlag Frankfurt/Main 2012. 361 Seiten, 21,99€
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Robert Altman: Short Cuts
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