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Wiglaf Drostes letzte Gedichte

Wie gut, dass man Freunde hat. Im hier vorliegenden Fall informierte mich Freund und Kollege Stevan Paul vom Erscheinen eines Buches. Das wir gemeinsam Fans dieses Autors sind, bemerkten wir erst in einem vorausgegangenen Mailwechsel. Denn wir unterhielten uns über dessen Texte und besuchte Lesungen, die immer wieder Ereignisse waren.

“Tisch und Bett” – Lachen und Leben

Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.
Kunst zu offenbaren und den Künstler zu verbergen ist das Ziel der Kunst
Oscar Wild: Das Bildnis des Dorian Gray 

 

Literaten können – auch wenn man sie nicht persönlich kennt – zu guten Wegbegleitern und Freunden werden. Ihre Texte führen ein Eigenleben jenseits der Person. Einige begleiten einen über Jahre, da ihr Werk derart umfangreich ist, dass man relativ lange braucht, um es sich lesend zu erschließen – andere, meist lebende Zeitgenossen – da man immer wieder sehnsüchtig auf das nächste Werk von ihnen wartet.

Zur ersten Kategorie mögen Klassiker wie Marcel Proust, Jules Verne oder René Goscinny gehören. Zur zweiten Walter Moers, Gerhard Henschel, Fritz Eckenga oder Loriot.

Im vorliegenden Falle- und das ist das Bemerkenswerte – erwartete ich gar keine Neuerscheinung. Denn der Autor, dessen Fans wir gemeinsam sind, war im vergangenen Jahr von uns völlig unerwartet und sicherlich auch gegen seine Einwilligung aus dem Leben gezogen worden. Sein Tod markierte – und auch darüber tauschten wir uns aus – einen herben Verlust. Denn seine Stimme war melodiös, analytisch, scharf, sanft und manches Mal ätzend. Mit anderen Worten: sie war charakterstark und unverkennbar.

Um so schöner, dass diese Stimme eben nicht mit dem Ableben von Wiglaf Droste verstummt ist, denn jetzt hat der Münchener Antje Kunstmann Verlag die noch vom Autor zusammengetragenen Gedichte unter dem passenden Titel „Tisch und Bett“ herausgebracht. Und es geht in den Gedichten vorzugsweise um die schönen Seiten des Lebens: Liebe, Lust und kulinarische Freuden.

Zum Autor

Wiglaf Droste wird 1961 in Herford/Ostwestfalen geboren, um sich nach Umzug zwecks Studienbeginns nach Berlin später durch zahlreiche Auslassungen über das sprachliche Paradox seiner Herkunft lustig machen. Gleichzeitig aber setzt er den Bewohnern dieses Landstrichs ein literarisches Denkmal. Auch im vorliegenden Band wird an passender Stelle gewullackt, jedoch nicht ohne aus dem Reimrhythmus zu fallen. Das Studium der Kommunikationswissenschaft und Publizistik bricht er nach zwei Wochen erfolgreich ab, um sich verstärkt direkt journalistisch zu betätigen. Erste Buchveröffentlichung 1989: Kommunikaze und im gleichen Jahr die erste Single: „Grönemeyer kann nicht tanzen“. Seine teilweise blutbitterbösen Artikel und oft justiziablen Attacken auf Personen des öffentlichen Lebens werden ihn nun einem breiteren Publikum bekannt machen. Das in Zusammenarbeit mit Klaus Bittermamn geschriebene „Wörterbuch des Gutmenschen 2“, bringt den „Gutmschen“ erst auf den Begriff und es ist erstaunlich, welche andere Interpretation dieser Begriff in politischen Diskussionen mittlerweile besitzt. Das mit Gerhard Henschel geschriebene „Der Barbier von Bebra“, sorgte für einen regelrechten Eklat, sahen sich doch besonders bebarthaarte ostdeutsche Politiker einer Verfolgung ausgesetzt, die sie an Methoden des 3. Reichs erinnerten, was lediglich zeigte, über welches geschichtliche Wissen und über welchen politischen Sachverstand die Empörten verfügten.

Drostes Sprachgefühl zeigt sich bis in die Titel seiner Bücher: „Die schweren Jahre ab dreiunddreißig“, „Wir sägen uns die Beine ab und sehen aus wie Gregor Gysi“, oder: „Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv“.

Der Titel „Begrabt mein Hirn an der Biegung des Flusses“ wird im vorliegenden Gedichtband aufgegriffen, hier aber dichtet jemand vom Tode gezeichnet gegen die Melancholie des Lebens an, denn das Leben und besonders die Kunst – da war Droste ganz bei Oscar Wilde, sah er sich doch wie dieser auch als Dandy und hasste alle Snobs – sollten die Schönheit und die Liebe feiern.

Zusammen mit dem Sternekoch Vincent Klink gab er von 1999 bis 2013 vierteljährlich die „kulinarische Kampfschrift Häuptling eigener Herd“ heraus. Aus der Zusammenarbeit erwuchs eine tiefe Freundschaft und einige gemeinsame Buchprojekte: „Wurst“, „Wild“, „Wein“, „Weihnachten“, „Gemüse“ und „Liebe“, allesamt vom Kölner Nikolaus Heidelbach formvollendet illustriert. Doch auch allein erkundete er als „Nomade im Speck“ die Verbindungen von Literatur und Kulinarik.

Der bekennende Fan von Borussia Dortmund hat nie mit seinem Fußballsachverstand geprahlt, aber kein Fußballsachverständiger kann auch nur ansatzweise so schön über die Erlebnisse im Stadion berichten, wie er.

Autoren, die er verehrte, lieh er seine Stimme und las einige ihrer Werke ein.

„Tisch und Bett“ ist nach „Nutzt gar nichts, es ist Liebe“ und „Wasabi dir nur getan?“ der dritte Band mit Gedichten des Autors.

Am 15. Mai 2019 starb er an seinem letzten Wohnsitz in Pottenstein/Oberfranken. Der 15. Mai sollte fortan ein jour fixe sein, um zusammen zu kochen, zu lesen, zu feiern.

Tisch und Bett

Schon im ersten Gedicht „Ihr Duft liegt in der Luft“ scheint all das auf, was den Autor in allen hier versammelten Gedichten auszeichnet. Er schreibt gegen den Zeitgeist und gängige Konventionen an, nicht, um sich über diese zu beschweren, das Nörgeln überlässt er lieber den zahlreichen schreibenden Langweilern, sondern den Spaß des Betrachters zum Ausdruck zu bringen. Und im Ernst, haben wir schon einmal von einem Autor gelesen „er starre“, gerade, um das Unkonventionelle als Schönheit zu begreifen:

„Sie sitzt im Bett und raucht Zigarre,

ich daneben, und ich starre

schwer begeistert und verliebt:

Dass es solche Frauen gibt!“ 

Damit aber hebt das Gedicht – mehr als ein Minnesang – erst an. An anderer, fast unscheinbarer Stelle, passend platziert bei einer Betrachtung zu Sigmund Freud, wird den Müttern der Welt ein dichterisches Denkmal gesetzt:

„doch ein Großes ist gnädig und bringt dich zur Welt und

Schenkt dir, großzügig, das Größte:

Leben und Sprache und Liebe.“

256 locker gesetzte Seiten warten darauf, von Lesern in Empfang genommen zu werden.

An dieser Stelle noch eine Bemerkung zum Buch. Die Covergestaltung hat Michael Sowa überaus liebevoll übernommen, schon der erste Blick auf den Garten mit Bett und gedeckten Tisch macht Appetit auf die in 11 Kapitel unterteilte Gedichte. Abgeschlossen wird das Werk durch eine kenntnisreiche Besprechung „Zum Autor“, selbst ohne Autorennennung. Auch hier – wie in manchem melancholischen Tonfall der Gedichte – bemerkt man den Verlust des Autors. Dann aber schaut man auf den Innenteil des Einbands und der Autor strahlt einem so zuversichtlich zu, als wolle er sich über den Gevatter Tod lustig machen und verkünden: selbst der kann mich am Schreiben nicht hindern. Auf der gegenüberliegenden Seite des Einbands wird man noch einmal daran erinnert, dass es Drostes Überzeugung war, dass es „kein Recht auf Heiterkeitsverzicht“ gibt und man sich von den Sprachspielen begeistern lassen soll, denn sie sind nichts weniger als eine Hommage an das Leben. Entzückt sei man „von den schnellen Haikus“ und an dieser Stelle sollte man die Besonderheit dieser Gedichtform noch einmal in Erinnerung rufen. Denn Haikus sind in Bezug auf die Gegenwart offene Texte, die sich erst im Erleben des Lesers vervollständigen. Und auf einmal merken wir, warum Droste so zuversichtlich lächelt: er lebt durch seine Texte in uns weiter. Da kann Gevatter Tod nichts ausrichten.

Durch seine Texte zeigt uns Droste die Schönheit des Lebens, das durch Heiterkeit an Glanz gewinnt. Überlassen wir also dem Autor an dieser Stelle das letzte Wort, damit er uns die Verbindung von Sinnlichkeit und Schreiben aufzeigt und durch das Lesen lebendig bleibt: 

„Pastatur

Übers Futtern und Dichten

Mehr als im Mund die Pasta

liebe ich nur

unter den Fingern die Tasta-

Natur“ 

 

Tartuffel empfiehlt:

Wiglaf Droste: Tisch und Bett. Gedichte. Verlag Antje Kunstmann, München 2020, 256 S. geb., 18,00€

 

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