Von den Besten lernen
Vegetarisch? Unbedingt! Und nein, es geht nicht um Fleischersatz, im Gegenteil, es geht darum, Gemüse als Star zu entdecken. Und in diesem Buch werden gleich 20 Gemüsesorten zu Hauptdarstellern. Die interviewten Profiköche erhalten so Raum, sich über ihr Lieblingsgemüse zu äußern und Tipps zur Zubereitung zu geben. Plötzlich sieht man die alltäglich verwendeten Beilagen in einem völlig neuen Licht als Hauptdarsteller strahlen. Dabei ist das Konzept so durchdacht, wie einfach zielführend: Welches ist dein Lieblingsgemüse? Lautet die Frage und die Antworten vermitteln große Lust, die hier versammelten Ideen in der heimischen Küche umzusetzen oder abzuwandeln. Denn hier bekommen selbst solche Gemüse wie Möhre oder Steckrübe eine Bühne, um im Licht der versammelten Ideen völlig neue Geschmacksdefinitionen zu erhalten.
20 Spitzenköche - Von den Besten Gemüseinterpretationen
Eigentlich würde es ausreichen, bei diesem Buch, die einzelnen Gemüsearten zu nennen, um einen ersten Überblick übder die thematische Vielfalt dieses Buches zu erhalten.Und doch würde dieser Ansatz zu kurz greifen, denn erst durch die Interviews mit den Spitzenköchen erhalten diese ein völlig neues. Und ganz nebenbei erfährt der Leser eine Menge darüber, das Kochen professionell als Passion betrieben nicht nur jede Menge Spaß bereitet, sondern auch dazu führt über den Geschmack der Lebensmittel und ihre Verarbeitung intensiv nachzudenken. Wie schneide ich? Verwende ich Wasser oder Röstaromen? Wie bekomme ich einen Kürbis wirklich geschmackvoll auf den Tisch? Wie gehe ich um mit Brokkoli, wie mit Blumenkohll? Am besten nicht mit Wasser in Berührung bringen. Wirsing? Schmoren, denn das ist die perfekte Art der Zubereitung für dieses Gemüse.
Das Buch regt an, unsere kulinarischen Gewoheiten aufzubrechen. Und das beginnt mit der Arbeit am Herd. Behandeln wir Gemüse als Star und nicht als geschmacklose Beilage. Und schon merkt man, wie treffend der Titel des Buches gewählt ist, denn die Lektüre ist eine Einladung Gemüse neu zu entdecken. Spargel? Anbraten oder in Nussbutter ziehen lassen. Oder aber mit einer Fenchelhollandaise vermählen. Möhren? Ebenfalls wasserscheu. Also rein in den Ofen und auf jeden Fall das Möhrengrün verwerten. Vielleicht blanchiert als Salat, oder als Basis für ein Möhrengranité. Und klar, fragt man nach Salat, bekommt man eine spannende Idee, um ihn als Dessert glänzen zu lassen. Was sich verwegen anhört, hat hier Hand und Fuß, wird anschaulich beschrieben und die dazu entwickelten Rezepte sind so gelingsicher, dass man selbst weiterdenkt, um eigene Kreationen aus den neu gewonnenen Blickwinkeln zu entwickeln. Und natürlich kann man auch eine Bolognese wunderbar mit Auberginen zubereiten, rein vegetarisch liefert sie das vollmundige Geschmacksbild des beliebten Namenspartons, ohne in irgendeiner Weise ein Fleischersatz sein zu wollen. Und das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis nach der Lektüre: Man braucht kein Fleisch, um genussvolle Gerichte auf den Tisch zu bringen. Man muss Gemüse einfach als Star zubereiten. Ganz einfach. Das Buch ist eine Meisterleistung einer Autorin, die sich mit ihren bisher veröffentlichen Werken die Anerkennung namhafter Köche erarbeitet hat. Die Riege derer, die hier mit Witz und Engagement von ihrem Lieblingsgemüsen berichten, ist so abwechslungsreich wie prominent. Und allen merkt man an, wie viel Spaß sie an diesem Thema haben. Kochen vegetarisch? Ein grandioses Vergnügen. Und eine Bemerkung sei noch gestattet: Ich bin persönlich sehr froh, dass Topinambur in dieses Buch Eingang gefunden hat. Denn als die Kartoffel sie von den heimischen Äckern verdrängte, verschwand sie allmählich aus unserem kulinarischen Bewusstsein. Das Buch gibt auch hier spannende Anregungen, dieses Gemüse neu zu entdecken.
Tartuffel empfiehlt:
Stefanie Hiekmann: Gemüse – vegetarisch neu entdeckt. Igling 2021, 240 Seiten, gebunden. 30,00€