Shuttle-Schatten
Shuttle ist ein lautmalerischer Begriff, bei dem es einen allerdings auch schütteln kann. Besonders, wenn man eine solche gediegene und bis ins letzte Detail durchdachte Veranstaltung konzipiert und verantwortlich durchführt. Dabei ist es nicht der Shuttle selber, der dazu führt, dass man sich schütteln muss. Nein, er ist, seinem Wesen nach ein ruhiger, verlässlicher Vertreter seiner Zunft, der die Gäste zur verabredeten Zeit an den Ort der Veranstaltung bringt und im Schatten darauf wartet, diese wieder einzusammeln. Gleich, ob sie in ein Hotel, einen Flughafen oder doch ganz woanders hingefahren werden möchten. Nein, es ist nicht der Shuttle, es ist ein besonderes Phänomen, welches dieser geräumige, in der Regel ruhig auf der Fahrbahn liegende Wagen hervorruft.
Syndrom oder Phänomen?
An dieser Stelle lohnt es sich, einen kleinen Einschub zu machen, um den im Folgenden zur Anwendung gebrachten Begriff eingehender zu studieren. Denn es ist nicht unerheblich, ob wir hier von einem Phänomen, wie gerade angedeutet, oder doch von einem Syndrom sprechen. Das Syndrom bezeichnet in der Medizin und Psychiatrie eine Kombination von unterschiedlichen Symptomen, im vorliegenden Fall also Galaveranstaltung, Shuttle, Gäste. Aber man ist Gastgeber und möchte diese einzelnen Punkte nicht gerne automatisch als einen Krankheitszustand sehen. Bleiben wir also im vorliegenden Falle beim erkenntnistheoretisch neutraleren Begriff des Phänomens, ein Naturereignis ist es in diesem Falle weniger, als eine Ausnahmeerscheinung, was dann auch das gesamte Ereignis passend auf den Begriff bringt. Denn erst, wenn einzelne Ausnahme Ereignisse wie im vorliegenden Beispiel zusammentreten, kann man – wie im Falle der Polarlichter, oder der Sonnenfinsternis – das Shuttleschattensyndrom, äh nein, eben nicht: das Shuttleschattenphänomen beobachten.
Schatten des Shuttles
Im Schatten des Shuttles ereignen sich Dinge, die es im normalen Alltag auf diese Weise nicht gibt und die, so möchte man sagen, an der Anwesenheit des Shuttles liegen. Doch wer wollte diesem zuverlässigen Gesellen so etwas in die bereiften Schuhe schieben? Nein, wir müssen anders anfangen. Es liegt ein wenig wie beim Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr zu beherrschen weiß. Allerdings handelt es sich im vorliegenden Falle nicht um einen vorwitzigen, sich selbst überschätzenden Lehrling, sondern um ein Phänomen, dass durch die Summe der Außeralltäglichkeiten selbst hervorgebracht wird. Dabei hat der Shuttleschatten nichts mit einem Kurschatten gemein, er ist eher ein kleiner Schatten, der sich auf die Seele mancher Gäste legt und deren Selbsteinschätzung elementar trübt. Der Shuttle lässt sie unbewusst zu Stars werden, zu Celebritys für einen Moment. Verblüffender Weise ist es stets der Moment, der für die Abfahrt der geladenen Gäste vorgesehen ist. Ein Teil der Gäste wartet schon im Shuttle, der Motor wird sanft angelassen, noch aber sind die Türen geöffnet. Denn wie durch ein Wunder, sind in diesem Moment einige der Shuttlegäste nicht nur unauffindbar, sie stecken in wichtigen Detailabsprachen, unaufschiebbaren Gesprächen, hinter dem Tresen oder an unbekannten Orten fest. Mit anderen Worten: der Shuttleservice ist ihnen zu Kopf gestiegen. Für diesen Moment, ein Fest, schöne Kleidung, außeralltäglich rauer Genuss des hier gereichten Schaumweins, haben sich die normativen Kräfte des Alltags bei ihnen außer Kraft gesetzt. Sie halten es nicht nur für unabdingbar, andere Shuttlegäste, den Gastgeber und die Organisatoren warten zu lassen, in der Regel sehen sie es in diesem Moment als ihre Pflicht an, darauf zu bestehen, noch mindestens ein Glas in aller Ruhe trinken, neben bei noch zwei bis drei Häppchen zu naschen und den Augenblick als König zu verbringen. Sollen die Untertanen ruhig grummeln, man nimmt diese und auch andere Unmutsbekundungen nicht mehr als solche, sondern als Huldigung entgegen. Mithin, man befindet sich in der eigenen Vorstellung im Licht des Ruhms, in Wirklichkeit jedoch in der Welt des Shuttleschattens.