Persönlichkeit statt Gutschein
Ein Gastgeschenk ist kein Klischee
Denn ein neues Haus möchte nicht nur bewohnt, es will auch angesehen und ja, besichtigt, bestaunt und bewundert werden. Und erst wenn das Haus seine erste Feier bestanden hat, lässt es sich beschwingt in ihm wohnen. Mit der Einweihungsfeier stellt natürlich die Frage nach dem passenden Gastgeschenk, denn mit diesem erst wird man ganz offiziell zum Freund des Hauses. Im Unterschied zu einem bloßen Mitbringsel bei einem Besuch geht es hier allerdings weniger um eine alltägliches Geschenk, als um eine Gabe mit Symbolgehalt.
Das Gastgeschenk zur Einweihungsparty bringt zum Ausdruck, welche Gedanken man sich zu diesem herausragenden Ereignis gemacht hat. Was also könnte passend sein? Ein Strauß Blumen? Sicher, wenn sie als Begleitung des eigentlichen Geschenks auftauchen. Gleiches gilt für eine Flasche Wein, ist sie nicht so ausgesucht, dass sie selbst schon bei ihrer Überreichung eine eigene Geschichte zu erzählen weiß.
Aber: ist damit nicht eine Chance vertan, dieses herausragende Ereignis gebührend zu würdigen? Das Abitur der eigenen Kinder würde man ja auch nicht bloß mit einer Flasche Wein oder ein paar abgeschnittenen Blumen würdigen.
Es geht darum, einen wichtigen Schritt im Leben der Gastgeber zu würdigen, damit fallen normale Mitbringsel direkt durch. Das Geschenk selbst darf also nicht unbedeutend sein. Hüten sollte man sich folglich vor Geschenken, die mit dem Spruch begleitet werden: „So etwas kann man ja immer mal gebrauchen.“ Also bitte, keine Flaschenöffner, die man an der Wand befestigen soll, keine Schlüsselanhänger und keine Mini-Flaschen-T-Shirts mit der Aufschrift: „Nach mir die Ginflut“, oder ähnlichen Aufschriften. Auch wenn sie witzig gemeint sein sollten, sie sind es in dieser Situation nicht. Wenn sie diesen Ratschlag nicht beherzigen, werden sie seine Richtigkeit spätestens in dem Moment der Übergabe des Geschenks im für einen kurzen Moment erloschenen Gesichtsausdruck ihrer Gastgeber erkennen. Und vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben werden sie spüren, weshalb folgender Satz über umfassende Wahrheit verfügt: "Das Gegenteil von gut ist nicht böse, oder gar schlecht, sondern einfach: gutgemeint."
Auch ein stylischer Wandflaschenhalter oder ein Gartenwerkzeugset eignet sich nur nach vorheriger Absprache zwecks Rückversicherung mit den Gastgebern. Unklug wäre es auch, im Klischee zu ersticken: Brot und Salz, Hufeisen oder Metermaß werden zwar als passende Geschenke zur Hauseinweihung immer wieder genannt, können aber lediglich als symbolische Begleiter des eigentlichen Geschenks dienen. Oder wären sie am Ende der Party glücklich über 30 Salzstreuer und eine ganze Bäckereiauslage an langsam alt werdendem Brot, während sich ihr Kopf nach der Party anfühlt, als hätten Sie mindestens eins der Hufeisen direkt über den Schädel gezogen bekommen?
Gedanken – Gesten – Gabe
Natürlich ist ein Gutschein eine feine Sache. Denn so kann man zum Ausdruck bringen, dass die Beschenkten sicherlich selbst am besten wissen, was sie brauchen werden und man erspart sich den Weg zum Bau- oder sonstigem Markt. Aber bei aller Schlichtheit, Gutscheine sind keine Geschenke, sondern nur Geschenke als ob. Auch hier ist es eine Geste des guten Meinens, denn was fehlt, ist die Persönlichkeit des Schenkenden, die den Mehrwert eines jeden gut überlegten Geschenks bildet. Warum aber sollte das wichtig sein? Nun, in unserer immer mehr auf die Gegenwart fixierten Zeit wird das Schenken gerne auf Gesten wie einen Gutschein verkürzt. Das ist in vielen alltäglichen Situationen sinnvoll, da man sich keine Gedanken machen muss und gleichzeitig keinen Fehler begeht. Aber der Einzug in ein neues Heim ist - wie die Geburt eines Kindes - keine alltägliche und damit keine Gutschein-Situation. Denn hier kommt ein weiterer, oftmals übersehener Aspekt zur Geltung: das Geschenk in außeralltäglichen Situationen ist stets auch eine Gabe. Nun könnte man meinen, dies sei trivial, ist doch ein Geschenk stets eine Gabe. Doch weit gefehlt. Der normale Geschenkgutschein ist einfach ein Geschenk, es hängen keine weiteren Verpflichtungen daran. Die Gabe aber unterscheidet sich vom Gutschein, als sie Freundschaften begründen oder befestigen möchte. Denn die Gabe zielt immer auf eine Art der Wechselseitigkeit. Nicht, das der Beschenkte, das Geschenk auf die gleiche Weise vergelten soll, ist damit gemeint, sondern, dass er das Geschenk als Gabe annimmt und damit die – oft vergessene – Verpflichtung eingeht, zu einer passenden Gelegenheit es zu erwidern. Dies kann schon in der Geste der Annahme der Freundschaft liegen. Denn prinzipiell ist eine Gabe immer an eine Gegengabe gebunden, wobei die Gabe auch ideell durch Freundschaft erwidert werden kann. Früher wurden mit solchen Gastgeschenken Feindschaften begraben und Kriege beendet – mithin also ein wichtiges soziales Element.
Nicht, dass jede Einladung zu einer Einweihungsparty sofort den Beginn einer wunderbaren Freundschaft bedeuten muss, aber ein falsches Geschenk könnte den Beginn eines dauerhaften Zwists zwischen Nachbarn begründen. Bedenkt man, wie viel Energie und Zeit ein solcher Streit, der sich gut und gerne über mehrere Jahrzehnte erstrecken kann, verschlingt, ist man gut beraten, sich vorab Gedanken zu machen. Nicht über einen Gutschein, sondern über ein Geschenk, das den Gast zum Freund des Hauses werden lässt.