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Nachhaltigkeit beginnt mit den Böden

Nachhaltigkeit – und  Regionalität. Ausdrücke, die gerne, leider aber auch inflationär im Munde geführt werden, wenn es um die Qualität von Lebensmitteln geht. Wie aber funktioniert eine nachhaltige Landwirtschaft? Können Tiere artgerecht und ökonomisch sinnvoll gehalten werden? Grund genug, um mit den Green-Chefs in Kooperation mit dem Food Editors Club der Sache vor Ort auf den Grund zu gehen: Ortstermin zum Hofgang auf dem Bauckhof.

Hofgang auf dem Bauckhof

Wir alle kennen die Probleme, mit denen die Landwirtschaft zu kämpfen hat: Ausgelaugte Böden treffen auf zunehmende Trockenheit. Oft werden Lebensmittel in riesigen Monokulturen angebaut, um dann über weite Strecken quer durch Europa gesandt zu werden. Die Vorgaben des Handels verlangen nicht nur eine termingerechte Sicherstellung der vereinbarten Liefermenge – unabhängig von Witterungsbedingungen und schwankenden Ernteerträgen – sondern auch den Ausschluss großer Teile der Ernte, den sogenannten misfits. Diese Rahmenbedingungen fördern keine nachhaltige Landwirtschaft, im Gegenteil: Sie führen zum verstärkten Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln, der zunehmenden Auslaugung der Böden und der Landwirte, die zum Einsatz von Giftstoffen gezwungen sind, um Erntemengen in gewünschtem Maß zur vereinbarten Zeit produzieren zu können. Für sie selbst bleibt wenig Ertrag, die Profitmaximierung fließt an Handel und Konzerne.

Klimawandel und großflächige Bewirtschaftung unter Verzicht von Biotopen, wie sie Walmhecken und Bäume darstellen stellen hierbei ein so ernstes Problem für zukünftige Generationen an Landwirten dar, wie die Reduzierung der landwirtschaftlichen Betriebe durch stetige Vergrößerung der landwirtschaftlichen Fläche, die durch eine Person in konventioneller Landwirtschaft bestellt werden kann. 

Doch muss das so sein? Können Verbraucher hier für eine Veränderung sorgen? Ja, aber eben auch und gerade Gastronomen, die als gute Gastgeber ihren Gästen mehr Gutes bieten wollen, als einfach nur günstige Preise, können hier als Vorbilder agieren, die mit geschmackvoller Zubereitung erstklassiger Lebensmittel und den Geschichten dahinter für ihre Lebensmittelproduzenten werben können. Und so, wie ein Koch, der von seinem Handwerk überzeugt ist, Gäste gerne auch in die Küche schauen lässt, sollte ein Landwirt interessierte, potenzielle Kunden in seinen Hof schauen lassen. Denn Einblicke hinter die Fassaden fördern Fragen und Verständnis gleichermaßen.

Wie aber funktioniert nachhaltige Landwirtschaft? Was macht sie wertvoll? Fragen, die Gastronomen wie Endverbraucher umtreiben, doch seltener werden Argumente als prinzipielle Glaubens-oder Ansichtssachen ausgetauscht. Die einen wollen von biologischer Landwirtschaft nichts wissen und für die anderen kommt nichts anderes in Frage. Zeit also, sich selbst ein Bild zu machen und Argumente zu sammeln.

Bauckhof

Der Bauckhof ist die Oberbezeichnung für insgesamt drei Höfe und eine Mühle. 1932, als man feststellte, dass die Verwendung von Kunstdünger dazu führte, dass die Böden keine Regenwürmer mehr beherbergen, begann man, auf nachhaltige Landwirtschaft umzusteigen. Seit 90 Jahren wird hier nach biologisch-dynamischen Kriterien demeter Landwirtschaft betrieben. Zu diesem ganzheitlichen Konzept gehört auch die artgerechte Haltung von Nutztieren, um zum einen auf den Höfen auch den Dünger für die Felder zu erwirtschaften, zum anderen um die Zucht von erstklassigem Geflügel, samt Bruderhahnkonzept zu betreiben.

Wir treffen uns auf dem niedersächsischen Bauckhof in Klein-Süstedt, einem kleinen Ort von knapp 300 Einwohnern in der Nähe von Uelzen, wo wir von Yanic Arndt mit offenen Armen in Empfang genommen werden. Wir, das sind im FEC engagierte Food Journalisten sowie Gastronomen, die als Green Chefs – einem Zusammenschluss von gastronomischen Betrieben, die für Nachhaltigkeit, Verantwortung und Transparenz in der Gastronomie einstehen.

Erste Informationen und Relationen

Der Hofgang beginnt, anders als erwartet, mit einem Gang ins Büro. Das macht Sinn, denn hier kann man sich sammeln, erste Eindrücke austauschen und dann dem kurzen, so faktenreichen wie launigen Vortrag von Yannic Arndt zuhören. Die Bauckhof-Höfe beschäftigen zusammen zwischen 420 und 450 Mitarbeiter, wovon 50 vor Ort in Klein Süstedt angestellt sind. Gemeinsam bewirtschaften sie hier eine Fläche von ca. 100 Hektar (1ha=10.000qm).

In der konventionellen Landwirtschaft kann ein Landwirt die gleiche Fläche allein bewirtschaften. Allerdings benötigt er dazu entsprechende konventionelle Unterstützung in Form von Gift- und Düngestoffen. Gleichwohl dient die Größe von 100 ha (1.000.000 qm) als Minimum für eine Existenzgrundlage eines Landwirts im Vollerwerb. Der Vergleich hinkt in einem Punkt: Die konventionelle Landwirtschaft ist mittlerweile in der Regel von der Viehwirtschaft entkoppelt, da diese andere Anforderungen an einen Landwirt stellt. Auf dem Bauckhof wird Vieh- und Landwirtschaft traditionell einheitlich verstanden, denn die Tiere garantieren neben der Fleischproduktion eine nachhaltige Düngung der Böden, Landschaftspflege inklusive.

Allein die Nennung der Bewirtschaftungsfläche für eine Person im konventionellen Betrieb macht deutlich, dass hier große Maschinen auf großen Flächen zum Einsatz kommen müssen und dass nichts dem Zufall überlassen werden darf, damit die Ernte ohne Verluste eingefahren werden kann.

Zum einen zeigt sich, wie arbeitsintensiv nachhaltige Landwirtschaft und wie sehr konventionelle Landwirtschaft rationalisiert worden ist. Wo in einem Bereich arbeitsteilige Prozesse unterschiedliche Bewirtschaftungsarten eines Hofes im Hinblick auf ganzheitliche Kriterien fördern, werden im anderen Bereich praktische Lösungen bevorzugt, die eine Absicherung der Erntemenge garantieren sollen.

Nachhaltigkeit beginnt mit den Böden

„Siegt die Profitoptimierung, verliert das Lebewesen“ – ein Satz aus dem Onlineauftritt des Bauckhof der sich auch auf uns als Konsumenten bezieht. Denn die Produktionsbedingungen der Lebensmittel gehen ja nicht nur in die Pflanzen und Tiere, sondern auch in uns Menschen als Endverbraucher ein.

Bei der Ortsbegehung fallen die Böden aus nachhaltiger Landwirtschaft im Unterschied der versandeten Böden um sie herum direkt ins Auge, denn auch in diesem heißen und niederschlagsarmen Sommer haben sie Feuchtigkeit gespeichert und sind voller Mikroorganismen. Die Erde des Ackers, auf dem gerade Kartoffeln geerntet worden sind ist weich, feucht und aromatisch. Ein Blick auf ein benachbartes Feld aber gibt Anlass zu Bedenken: Hier ist das Kartoffelkraut verdorrt, das Pflanzengrün sieht aus wie tot. Und in der Tat: Die Vertrocknungserscheinungen sind nicht Ergebnis des Wetters. Die Pflanzen wurden mit Glyphosat behandelt, denn das Mittel tötet alle kulinarisch wertlosen Pflanzenteile ab. So können die Kartoffeln einige Tage nach der offensichtlichen Vergiftung einfacher geerntet werden, kein Kraut stört den Einsatz der Erntemaschinen.

Freilaufende Hühner und ein Horde Gockel

Weiter geht es zur nächsten Station. Hier laufen Hühner frei herum, auf 50 Hennen kommt in den Herden je ein Hahn. Stress scheint das Federvieh keinen zu haben, dafür aber jede Menge Auslauf unter den schattenspendenden Pappeln rund um die mobilen Hühnerställe. Die Bäume werden durch den Hühnerkot gedüngt und schützen das munter gackernde Federvieh vor Habicht, Bussard und Co. Dann kommen wir zu einer Bruderhahnherde Hahnherde. Ganz in Ruhe stolzieren die geschlechtsreifen Genossen weißgefiederten Gockel mit strahlendroten Kämmen in Kohortenstärke hin und her, bis auf einmal eine zu weit gelaufene Henne hinter der Umzäunung auftaucht. Plötzlich erfahren alle Anwesenden, wie es zu dem Sprichwort gekommen sein muss: Sich aufführen wie eine Horde Gockel. Im Nu setzt ein Gebalze und Gegackere ist so ohrenbetäubend wie amüsant schön anzusehen. Allein schon dafür sollte man das auf dem Bauckhof seit vielen Jahren etablierte Bruderhahnkonzept unterstützen – ganz abgesehen vom fatalen, aber etablierten Irrsinn der Bruderhahntötung im industriellen Maßstab der konventionellen Hühnermast. Grund genug, als Konsument und Gastronom Bruderhahnhaltung gezielt nachzufragen.

Die Hühner und Hähne nutzen nicht nur ihren Auslauf, sie bekommen auch genügend Zeit zu wachsen. Erst nach zwanzig Wochen erreichen diese hier auf dem Bauckhof ihr Schlachtalter, haben ihre Geschlechtsreife erlebt und verfügen nach dieser im Vergleich zu konventionellen Zuchtbetrieben wesentlich längeren Aufzucht über ein sehr aromatisches Fleisch mit fester Muskulatur. Wie aber wird aus dem pickenden Geflügel ein Lebensmittel der Premiumqualität? Es ist eine Frage, der man sehr oft ausweicht, die aber hier auf dem Bauckhof, nüchtern und konsequent beantwortet wird: Denn Tierwohl in einem Nutzbetreib fängt mit der Frage an, wie man Tiere so stressfrei und schonend wie möglich schlachten kann. Stellt man sich die Frage nicht und – ein ebenso entscheidender Faktor – stellt sie nicht öffentlich zur Diskussion, wird es, so viel ist sicher, nicht zum Wohl der Tiere sein. Ein Hof, aber der sein Schlachthaus offen zeigt, um zu erklären, welche Überlegungen man umgesetzt hat, um diesen letzten Gang für die Tiere so angenehm wie möglich zu gestalten, erzählt eine Menge über seine Umsicht im Umgang mit lebenden Geschöpfen und anderen Lebensmitteln. An dieser Stelle sei nur ein Umstand genannt. Alle Mitarbeiter des Bauckhofs, die in der landwirtschaftlichen Produktion eingesetzt sind arbeiten auch immer wieder regelmäßig im Schlachthaus. Aus gutem Grund: Zum einen soll jeder Mitarbeiter alle notwendigen Tätigkeiten ausführen können, zum anderen sollen alle Etappen der Lebensmittelproduktion begleitet werden. Durch die Schlachtung auf dem eigenen Hof entfallen lange Transportwege, das Geflügel erlebt keinen Stress, bevor es im Dämmerlicht in einen Halbschlaf verfällt.

Schon Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann wusste: Das Produkt ist der Star. Der Koch sollte seinen Gästen erzählen können, wo es herkommt und wie es produziert wird. Denn – auch das wusste schon Witzigmann: Kochen allein reicht nicht.

Die Coronakrise hat nicht nur die Gastronomie in eine existentielle Krise geraten lassen. Antworten auf die Zukunft kann man sicherlich nicht in einem weiteren Preiskampf gewinnen. Engagierte Gastronomie aber kann die Krise nutzen, denn noch nie war es – bedingt durch den überproportional starken Anstieg konventionell erzeugter Lebensmittel – so sinnvoll auf nachhaltig erzeugte Lebensmittel umzusteigen und auf diese Weise seinen Gästen etwas Besseres bieten zu können als einen günstigen Preis. Und das mit Überzeugung.

 

Weitere Informationen:

Bauckhof

Green Chefs

Food Editors Club

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