Nachhaltiger Genuss: Zukunftsküche
Küche bedeutet Veränderung. Der Zutaten, der Zubereitung, der Essgewohnheiten. Kurz, Essen war nie in Stein gemeißelt, es war immer gegenwärtig und doch stets für den Moment gedacht. Vom Essen her betrachtet ist die Menschheitsgeschichte eine permanente Anpassungsstrategie. Stets geprägt aus der Verbindung von Nützlichem und Genuss aus der die Kultur des Kochens entstand. Mit dem Feuer und seiner kochenden Beherrschung wurden die Primaten zu Menschen, brachen aus dem natürlichen Reproduktionskreislauf aus. Die Palette der verdaulichen Nahrungsmittel erweiterte sich und mit der Verkleinerung des Gebisses konnte sich die menschlichen Sprachen entwickeln. Kultur beginnt mit dem Kochen. Und das Kochen verändert sich permanent. Sei es aufgrund der Angebote an Nahrungsmitteln, oder – wie im Falle des Überangebotes – deren persönliche Auswahl, die stets durch kulturelle Codices geprägt ist und als Distinktionsmittel angewendet wird.
Diese Geschichte können wir an uns selbst feststellen: Es gibt die Gerichte der Kindheit, die man als Erwachsener entweder immer noch liebt – wie Erdbeerkuchen, oder verabscheut, wie manche Menschen Kohlgerichte. Dann gibt es die besonderen Vorlieben – Marmite, Maggie-Ei oder Dosenravioli und die, die man sich selbst angeeignet hat. Der Blick zurück kann jedoch nur die gegenwärtigen Essgewohnheiten erklären. Das vorliegende Buch wagt den Blick in die Zukunft und stellt zu recht die Frage: Was wollen wir in Zukunft essen? Und diese Zukunft beginnt heute.
Ausbruch aus dem Hamsterrad der Gewohnheiten durch Bewusstes Handeln
Vegane Varianten waren immer auch – meist so alltäglich wie selbstverständlich unbewusst – fester Bestandteil des Speiseplans. Und natürlich wissen wir alle, dass wir unseren Fleischkonsum kritisch betrachten müssen. Wenn nicht nur aus globalen Klimagründen, dann auf jeden Fall auch aus ganz persönlichen gesundheitlichen Gründen, sollten wir unseren persönlichen Fleischkonsum verändern. Denn nur auf diesem Wege versetzen wir uns erst in die Lage unser Genussspektrums zu erweitern. Denn nichts schränkt dieses so sehr ein, wie Scheuklappen und eingefleischte Ess-Gewohnheiten.
Vegan – hier verstanden in seiner natürlichsten Variante – also weder hochindustriell verarbeitet, noch als chemisches Nahrungsergänzungsmittel – also in Form von Getreiden, Hülsenfrüchten, Gemüsen, Kräutern, Obst sind fast alle Lebensmittel, wenn sie nicht mit tierischen Lebensmitteln vermischt werden. Pflanzlich basierte Ernährung ist zugleich ein zentraler Schlüssel, um das Klima und unser körperliches Wohlbefinden zugleich positiv zu beeinflussen. Mithin: Vegane Varianten sind ein Thema mit denen sich Gastronomen beschäftigen und sie ihren Gästen – im Sinne guter Gastfreundschaft – näher bringen sollten. Mit Genuss. Selbstverständlich. Und die pflanzenbasierte Gemüseküche bietet eine Fülle an Formen, Farben, Texturen und Aromen, die man als Star auf den tellern glänzen lassen kann.
Genussvolle Aspekte der Nachhaltigkeit
Und es ist genau dieser Aspekt, den das Buch ins Visier nimmt: Wie kann die Gastronomie vom gestiegenen Interesse an veganer Ernährung profitieren? Die einfache Antwort: Indem sie damit beginnt nachhaltig zu werden. Denn Nachhaltigkeit lohnt sich. Klimatisch, gesundheitlich, gemeinschaftlich und finanziell. Aber Nachhaltigkeit lohnt sich ebenso, um Mitarbeiter zu gewinnen und Gäste zu begeistern.
Das Buch liefert systematisch Analysen, Sichtweisen und Problemlösungen zu allen gastronomischen Besonderheiten: Wie begeistert man Gäste, wie gewinnt man neue, wie behält man seine bisherigen (Stamm-) Gäste? Dabei sieht der Autor die Neuausrichtung nicht nur als Chance aus der gastronomischen Krise, sondern als einzigen Weg aus ihr hinaus zu neuen nachhaltigen Gastronomiekonzepten. Als gelernter Designer ist der Autor schon vor langer Zeit in der Welt der Gastronomie verhaftet. Man spürt es in der Art seiner Beschäftigung mit dem Thema: Er verliert sich nicht in Details, bleibt aber konkret, behält den Überblick, ohne oberflächlich zu werden. So gliedern sich die Themen des Buches in einem ersten Schritt anhand der Kriterien, die unsere Lebensmittel, ihre Produktion und unsere Ernährungsweisen charakterisieren. Denn die Art, wie wir essen liefert entscheidende Faktoren für unsere Gesundheit und kann zur Klimaverbesserung beitragen, vorausgesetzt wir verstehen die Naturnotwendigkeit des Essens nicht als zu erledigende Pflicht, sondern als genussvolle, nachhaltige Aufgabe. Essen ist, ganz einfach betrachtet, immer auch politisch, stets ethisch und hat entscheidenden Einfluss auf uns und unsere Umwelt. Es wird Zeit, uns dem Thema nachhaltig zu widmen. Das Buch geht mit besten Beispiel voran. Dazu liefert es im Anschluss an die theoretische Einordnung praktische Beispiele von der Gestaltung der Speisekarte, über erfolgreiche Konzepte der Markenkommunikation bis zum grundlegenden Workshop zur Transformation hin zu einem nachhaltig fungierenden Gastronomiebetrieb. Dazu liefert der Band zahlreiche Interviews mit Gastronomen und Unternehmern und bietet ganz anschaulich Ideen, sich selbst neu auszurichten. So bietet die Zukunftsküche Orientierung, Einordnung, Anregungen und konkrete Lösungsvorschläge.
Geballtes Wissen, das man Häppchenweise genießen und nachhaltig studieren kann.
Tartuffel empfiehlt:
Balázs Tarsoly: Zukunftsküche. Nachhaltigkeit als Erfolgsrezept für die Gastronomie. DfV Frankfurt/Main. 2025, 304 S., 42,00€