Ganzheitlichkeit
Detlev Ueter gewährt einen umfassenden Blick auf Lamm und Zicklein
Detlev Ueter, einer der renommiertesten Lehrer des Kochnachwuchses, arbeitet seit 2007 am Gastronomischen Bildungszentrum in Koblenz, wo er sein Wissen als Dozent vermittelt. Schon bei der Auswahl der Zutaten und Rezepte spürt man das kulinarische Fundament, dass sich der gebürtige Westfale an namhaften Stationen wie den Schweizer Stuben, dem Schlosshotel Lerbach und dem Vieux Sinzig aneignen konnte. Die prägenden Einflüsse von Jörg und Dieter Müller, sowie von Jean-Marie Dumaine haben ihn dazu geführt, eine eigene kulinarische Handschrift zu entwickeln, die ihre Stärke gerade aus dieser erworbenen Basis schöpft. Wildkräuter, regionale Produkte und Produzenten stehen bei Detlev Ueter ebenso im Fokus der kulinarischen Aufmerksamkeit, wie geradlinige Rezepte, die Slowfood Gedanken und die ganzheitliche Verwertung der Tiere. Schön, dass man dem Autor seine Dozententätigkeit anmerkt. Denn gerade der Aufbau des Buches und die informativen Kapitel zu Küchenpraxis und Flavour Pairing sind mit Blick auf die notwendige Nützlichkeit konzipiert und regen wie die Tipps zur Verwendung von Kräutern und Gewürzen zum selbstständigen Sammeln, vor Allem aber zu eigenen Arbeit in der Küche an. Dabei werden selbst Schinken- und Wurstherstellung so anschaulich beschrieben, dass man gleich loslegen möchte.
Keine Angst vor exotischen Teilen
Lamm und Zicklein führen in unseren Küchen immer noch ein Nischendasein. Zu tief sitzt der Aberglaube, das Fleisch würde den Geruch von Ziegenställen auf die Teller bringen. Zu Ostern darf es schon mal eine Lammkeule- oder Ziegenhaxe sein, an Grillabenden greift man auf Lammkoteletts zurück, doch noch immer wissen wir wenig über die Zubereitungsarten der anderen Teile der Tiere.
Mit seinem Buch schließt Detlev Ueter nun endlich diese Lücke. Denn hier wird in nicht weniger als 80 Rezepten die Vielseitigkeit von Lamm- und Ziegenfleisch auf die Teller gebracht, dazu liefert das Buch Hintergrundwissen zu Gartechniken, Fleischreifung und Warenkunde.
Im Interview mit Tartuffel verrät der Autor seine Beweggründe und Ambitionen, dieses Buch zu schreiben:
„Es gibt relativ wenig zu Lamm und Zicklein mit Warenkunde und Ideen zur Verwertung des gesamten Tieres. Da haben wir uns also mal hingesetzt. Denn Lamm und Zicklein, die in freier Natur rumlaufen, dort grasen und viele Kräuter fressen entwickeln ein schmackhaftes fettarmes Fleisch. Richtige Aufzucht, Pflege, Schlachtung und Zubereitung vorausgesetzt, empfiehlt es sich sogar, die Tiere länger leben zu lassen, denn dann gewinnt das Fleisch noch zusätzlich an Geschmack und Aroma ohne auch nur eine Idee davon zu entwickeln, was manche Menschen noch mit dem Geschmack eines alten Hammels assoziieren. Das Fleisch ist nicht tranig und riecht nicht streng, sondern stets frisch und aromatisch. Es ist eine Delikatesse.“
Dabei geht das Buch sein Thema offen an und macht mit der ganzheitlichen Verwertung der Tiere aromatisch Ernst. Neben Klassikern aus dem Ofen, wie der Lammkeule im Kräuterheu gegart, oder dem gratinierten Lammkarree oder vom Grill, wie der Lammhüfte oder dem Schafsrücken im Fettmantel, gibt es zahlreiche Sous-Vide Rezepte und vor allem die Liebhaber-Rezepte, die man sonst vergeblich sucht. Kutteln, Zunge, Leber, Hirn, selbst die Lammballs erfahren hier ihre kulinarische Veredelung. Dank der Verwendung von Kräutern und Gemüsen kommen die Rezepte durchweg wenig fleischlastig rüber und bieten zahlrieche Anregungen für eigene kulinarische Gedankengänge.
Tartuffel empfiehlt:
Detlev Ueter: Lamm und Zicklein. Nose to tail. Warenkunde, Küchenpraxis und Rezepte. Ulmer Verlag, 160 Seiten, 19,90€