Kochen ist politisch – selber Kochen gesund
Miraculix, der Druide des kleinen gallischen Dorfes in den Bänden der Asterix-Reihe ist eine bemerkenswerte Person. Schon die Farben seiner drei Kleidungsstücke in den Farben der Trikolore deuten seine Stellung im Dorf an. Er ist ein Druide, der mit seinen Weisheiten hilft wie ein Apotheker und der durch seine Kunst den Zaubertrank zu brauen grundlegendes zur Einheit und Freiheit des Dorfes beiträgt. Und in der Tat: regelmäßig gibt es zwei Ess-Szenen, welche die Handlung der Erzählung bestimmen: Das Festbankett am Ende einer Geschichte und die Schlange der wartenden Krieger vor Verabreichung des magischen Tranks. Hier zeigt der Comic, das gemeinsamer Genuss die sonst so streitlustigen Gallier vereint und das die größte Druidenkunst darin besteht, kochen zu können, denn damit bildet er die Grundlage der Dorfgemeinschaft.
Franz Keller möchte man sich gerne als einen modernen Druiden vorstellen. Denn er versteht es nicht nur zu kochen, sondern auch über sein Leibthema zu sprechen. Und im Unterschied zu Miraculix darf er seine Geheimnisse nicht nur anderen Kollegen anvertrauen, sondern ganz offen darüber sprechen. Für Franz Keller heißt dies aber nicht nur, Rezepte sprechen zu lassen, sondern es bedeutet, das Kochen selbst als politischen Akt aufzufassen. Und denkt man die mehrere Jahrzehnte umfassende Ausbildung, die ein Druide benötigt, so kann man auch die Forderung von Franz Keller verstehen, das wir für unsere Köche eine akademische ausbildung benötigen. Denn im Fall eines engagierten Koches wird das Berufsbild in Zukunft wesentlich mehr von Köchen verlangen.
Ab in die Küche!
Der Titel seines neuen Buches ist daher wörtlich zu verstehen: Man soll in die Küche gehen, um sich kochend etwas Gutes zu tun. Damit ist nicht nur das liebevoll zubereitete Gericht aus frischen Lebensmitteln gemeint. Nein, Keller verweist auf den entschleunigenden Charakter, den das Kochen auf den jeweiligen Koch am heimischen Herd haben kann, selbst wenn es mal schnell gehen muss. Und so ist es folgerichtig, wenn Keller seine Leser auffordert Kochen als alltäglichen Lebensinhalt zu verstehen: „Leute, lasst uns wieder damit anfangen, das Kochen in unseren Alltag zu integrieren. Das schafft wieder die Verbindung zu den Alltagsprodukten, von denen wir uns ernähren.“ Denn das gesunde Essen bildet sicherlich eine wesentliche Grundlage für ein langes, gesundes Leben.
Es ist nicht der Preis im Discounter
Doch Keller ist kein Romantiker, der bekehren möchte. Er argumentiert ganz im Sinne der Aufklärung immer auch politisch. Denn er nimmt auch die Irreführung der Menschen durch die Lebensmittelindustrie in den Blick und zeigt anschaulich, mit nur wenigen, aber triftigen Zitaten und Belegen, dass billiges Essen in Wirklichkeit die meisten Kosten verursacht. Denn entscheidend hierbei ist nicht der Preis, mit dem ein Turbomasthähnchen im Discounter beworben wird, sondern die mit diesem Herstellungsprozess bedingten Folgekosten durch Dünge- und Krankheitsschäden, die allerdings von der Allgemeinheit und nicht vom Verursacher bezahlt werden. Und hier erkennt man als Leser, das Essen und der Bezug von Lebensmitteln eine politische und eine persönliche Entscheidung ist. Gerade da zunehmend konfektionierte Ware - gerade in den Fleischregalen, die nach Möglichkeit das Tier hinter der buntbedruckten Plastikverpackung vergessen lassen möchten, angeboten wird - sollte der Verbraucher nach Alternativen suchen. Und das ist eine Frage, wie man aus Bequemlichkeit Bewusstsein formen und in aktives Handeln verwandeln kann. Es wird Zeit, so zeigt Kellers Buch, auf Facettenreiche Weise und er braucht dafür nicht einen mahnenden Zeigefinger. Er hat gute Argumente, denn auch er hat sein Leben grundlegend umgestellt. Dabei verlangt er nicht an keiner Stelle, man solle es ihm gleich machen. Er fordert zum eigenen Denken und damit zu einem fundamentalen Umdenken in Sachen Ernährung auf.
Kopf und Bauch wieder zusammen bekommen
Dabei ist es so einfach wie Keller zeigt. Wir müssen nur Kopf und Bauch wieder zusammen bekommen. Oder: Wir müssen endlich wieder den Kopf auf den Bauch hören lassen. Bequemlichkeit allein macht uns nicht zufrieden und erst recht nicht glücklich. Genuss aber vermag dies. Nur ist Genuss nicht einfach ein Spiel von Bequemlichkeit, er lebt vom Spannungsverhältnis zwischen An- und Entspannung. Geistiger und körperlicher Arbeit, in Voraussicht und in der Umsetzung der eigenen Ideen. Doch auch hier gibt Keller durch praktische Tipps und sehr gut aufeinander abgestimmte Rezepte, zahlreiche Anregungen. Seine hier versammelten Rezepte sind eine Art Anti-Kochbuch. Hier wird nicht nach schnellen Tellern Ausschau gehalten, sondern nach einfachen Umsetzungen, auch für die nächsten Tage. Mit wenigen Handgriffen zeigt Keller auf, wie einfach es sein kann eine vorrausschauende Küche am Herd entstehen zu lassen.
Franz Keller hat sein Handwerk bei Kochlegenden wie Jean Ducloux, Michel Guérard und Paul Bocuse gelernt und zählt zu den renommiertesten Köchen unseres Landes. Zum Glück verabschiedete er sich vom Sternezirkus, da er verstand hat, dass Essen viel mehr ist, als der Griff nach den Sternen. Wir sollten uns in der Küche Zeit nehmen, um vorausschauend zu denken und um uns zu entschleunigen. So kann man durch Genuss die Welt retten.
Tartuffel empfiehlt:
Franz Keller: Ab in die Küche. Wie wir die Kontrolle über unsere Ernährung zurückgewinnen. Westend Verlag Frankfurt/Main 2020, 240 S. geb., 24,00€