Kochbuch
Kochen ohne Kochbuch? Die Frage mag müßig erscheinen, lebt das Kochen doch von den persönlichen Erlebnissen am Herd. Erste Eindrücke sammelt man in der Generationen übergreifenden Familie, im Zuge des Heranwachsens auch bei Freunden, Bekannten und Kollegen. Doch immer wieder schweift der Blick – abseits der dampfenden Töpfe – in das Kochbuch.
Heutzutage sind die Bücher über das Kochen breit gestreut, von den einschlägigen Food-Blogs ganz zu schweigen. Gab es noch vor Generationenfrist klar definierte Standards für die zukünftigen Meister am Herd, gelten die traditionellen Schulkochbücher heute schon als Werke der kulinarischen Klassik. Nur noch am Rande ist die Rede vom „Dr. Oetker Schulkochbuch“, oder dem „Pellegrino Artusi“, den man in Italien als heimlichen Gründer der verspäteten Nation mit einem eigenen Museum und angeschlossener Kochschule ehrt. Wie sieht er aber aus, unser Kanon der Kochbuchliteratur?
Als Kochbuchklassiker heutiger Sicht könnte vielleicht noch der „Hering“ durchgehen, von dem allerdings viele nicht wissen, dass dieser kein Fisch ist und auf den Vornamen Richard zu hören pflegt. Nahezu von ewiger Aktualität und nach wie vor zentraler Bedeutung ist sicherlich Auguste Escoffiers „Guide Culinaire“ – nicht umsonst knarzt Franz Keller in seinem „Kein Kochbuch für Anfänger“, dass die meisten Sachen, mit denen so mancher Koch zu glänzen meint, eh schon beim großen Franzosen zu finden sind.
Zu den großen klassischen Standardwerken aus der Zeit vor Escoiffier gehören noch das 1651 erschienene „Le Cuisinier François“ von François-Pierre de la Varenne und das von Marie-Antoine Carême geschriebene „L´art de la Cuisine française“ (1833).
Standards
Im deutschsprachigen Raum haben sich innerhalb einer Generation zwei Standards in Sachen Kochbuch ausgebildet: Zum einen das vom Küchendirektor des Wiener Hotels Metropol, Richard Hering, zusammengestellte Buch „Lexikon der Küche“, welches mittlerweile in der 24. Auflage erschienen und in mehrere Sprachen übersetzt worden ist, zum anderen der von Carl Friebel verfasste „Kochlehrling“. 1937 in erster Auflage erschienen, avancierte es noch während des Krieges zum Standardwerk für die Ausbildung des Kochnachwuchses. Nach dem Krieg hielt der Erfolgszug des Buches unter dem Titel „Der junge Koch“ an, mittlerweile wurden mehr als 500.000 Exemplare verkauft. 2013 erschien „Der junge Koch/Die junge Köchin“ überarbeitet und weiter aktualisiert in der 35. Auflage.
In der internationalen Spitzengastronomie ist „Der große Larousse Gastronomique“, eines der seit 1938 stetig aktualisierten Standardwerke, in dem viele internationale Spitzenköche zu Wort kommen. Sicherlich muss man hier auch die von Nathan Myhrvold herausgegebene unvergleichliche Koch-Enzyklopädie „Modernist Cuisine. The Art and Science of Cooking“ nennen. Ein im umfassenden Sinne des Wortes erschlagendes Allroundwerk, in welchem Küche und Labor, Wissenschaft und Kochkunst gleichberechtigt nebeneinander treten, nicht um die Kunst aus den Kochtöpfen zu vertreiben, sondern im Gegenteil: um sie sichtbar zu machen. Ob sie sich bei diesem Versuch erst einmal verflüchtigt, ist eine andere Frage. Das Werk ist in die „Hall of Fame“ der Gourmand World Cookbook Awards aufgenommen worden und darf als sicherer Kochbuchklassiker der Zukunft gelten.
Die Bibel der Kochbücher
Bleibt an dieser Stelle noch ein Buch zu nennen, welches direkt nach der Bibel mit der Gutenbergpresse gedruckt wurde und damit auf ganz eigene Art den klassischen Kanon der Kochbücher begründete. Es ist ein Kochbuch, das keine reine Rezeptsammlung (lat.: recipe – nimm auf) darstellt, sondern sich auch in seiner Form eher an die Interessierten richtet. Die beispielhafte Form seiner Darstellung führte dazu, dass das erste Rezept einer der bekanntesten und erfolgreichsten Rezeptsammlungen deutscher Sprache bis heute im kollektiven Bewusstsein erhalten geblieben ist. Es beginnt mit den Prolog: „Willst du guten Kuchen backen, musst du haben sieben Sachen.“
Es handelt sich hierbei um das Kochbuch des Meisters Hans. Wäre dieses Buch nicht von Generation zu Generation weiter gereicht worden, wir würden diesen Kinderreim nicht mehr kennen und unser Verständnis von gutem Kuchen wäre ein grundlegend anderes – zumindest mit Kinderaugen betrachtet, die noch kein Kochbuch gelesen, die sieben Zutaten des Kuchens aber schon längst besungen haben.