Idee
Die Erörterung dessen, was eine Idee ist, zeichnet den Ursprung der Philosophie. In der Geschichte derselben begegnet uns die Idee zunächst als Vorstellung, als ein Urbild. Im Laufe der Jahrhunderte wandelt sich das Bild zum Begriff.
Die Idee wird nun als Wort, oder als in Worte fassbarer Gedanke begriffen. Damit wird die Idee zu etwas gemachtem, zum Ergebnis einer vorhergehenden Reflexion.
Die Idee der Gastrosophie ist es, die Philosophie des Schmeckens praktisch werden zu lassen. Sie wählt die Begriffe auf ihre konkreten Geschmackserlebnisse hin aus und verwendet sie, um sie so einer neuen Bedeutung zukommen zu lassen. Doch dafür benötigt sie zunächst eine Idee ihrer selbst. So begründet sie ihr Kernanliegen darin, die Philosophie vom Kopf auf ihre gastrosophischen Füße zu stellen. Wie könnte der Verstand in Bewegung kommen, wenn er keine sinnlichen Eindrücke erhielte, an denen er sich schulen und erbauen könnte? So ist das Schmecken einerseits dem Geschmack und seiner Beschreibung immer voraus, andererseits ist es fortwährendes Entwickeln einer Idee von Geschmack.
Unzweifelhaft sind Ideen der Motor der Kulturgeschichte des Menschen, die wiederum selbst vor allem eine Geschichte des Kochens ist. Neben den Kriegen und den Künsten ist das Kochen der große Innovator und Ideenlieferant der Menschheit. Die Verwendung des Feuers ist hier ebenso als grundlegend aufzuführen, wie die Kultivierung der heute so genannten Grundnahrungsmittel. Essentieller noch, das Kochen erweitert die Möglichkeit des Schmeckens und wird damit spürbarer Impulsgeber für neue Erlebnisse und Erfahrungen, Anregungen und – Ideen.
Gastrosophisch angewendet sind Ideen stets welche, die den Genuss eines Produkts in einem anderen Licht erscheinen lassen. Sei es durch Veränderung der Textur oder der Temperatur, sei es durch Akzentuierung mittels veränderter Gartechniken oder Zugabe von Gewürzen zur Schärfung des Produktprofils. Auf der anderen Seite entstehen innovative Ideen auch durch die völlige Neuinterpretation von Produkten. Denken wir an die Anfänge der molekularen Küche oder der „Neuen Skandinavischen Küche“, die aus der Neuinterpretation der Zubereitungs- und Darreichungsarten entwickelt wurden. Das Entstehen neuer Schulen oder Stile des Kochens ist an solche Ideen gebunden. Diese Ideen wiederum haben ihr sinnliches Urbild im Schmecken und ihre Lust kennt keine Grenzen. Die Verwendung von Ingwer und Chili in den heimischen Küchen wäre vor wenigen Jahren noch schlicht undenkbar gewesen. Mittlerweile hat man die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieser Produkte erkannt. Doch auch im Bereich der Texturen und Temperaturen hat man in den letzten Jahren einen gastrosophischen Denkhorizont eröffnet, denn ein Produkt wie Kaviar von Sauerkraut wäre bis vor kurzer Zeit undenkbar gewesen. Es fehlte einfach die Idee.