Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Hühnersuppe heilt

Kochen, so könnte man sagen ist Mensch sein. Denn der Mensch ist das einzige Tier, das kochen kann. Und folgerichtig hebt die Natur zwar mit dem Wasser, Kultur aber mit dem Feuer an. Denn das Feuer erst ermöglichte das Kochen. Ella Risbridger nähert sich diesem Thema auf eine sehr persönliche Weise. Denn Kochen hilft ihr zu leben. Weiterzuleben. Diese Geschichte beginnt mit einem Huhn.

 

Kochen ist Leben

 

Bei der ersten Durchsicht des Buches war ich irritiert. Ein Buch, das mir empfiehlt Buchstabennudeln im Vorratsschrank zu haben? Echt jetzt? Also hörte ich auf zu blättern und begann zu lesen. Erst da merkte ich, dass die Buchstabennudeln vielleicht tatsächlich eine Vorliebe der Autorin sein können, auf der anderen Seite aber symbolisieren sie das, was in diesem Buch geschieht: Das Essen selbst wird zur Sprache gebracht. Und es ist das Essen, sowie seine Zubereitung und sein Genuss, welches die Autorin in die Welt der Lebenden bringt.

Es ist ein Buch, das einen anderen Zugang zum Kochen ermöglicht. Denn es ist ein Buch, das zeigt, was kochen leisten kann, gerade wenn gar nichts mehr geht. Wie der Autorin, die auf dem Boden des Flurs, ohne zu wissen, ob sie jemals wieder aufstehen würde. Das Leben war zu anstrengend, zu fordernd, zu überwältigend. Vielleicht würde sie einfach liegen bleiben und mit der Zeit durch das Laminat in den Boden sinken. Doch durch die offene Küchentür fiel ihr Blick auf das Huhn. Und mit diesem Ausblick wächst der Gedanke an den Geschmack eines gebratenen Huhns. Nach Stunden hilft ihr Mann, der spät nach Hause gekommen ist, auf die Beine und sie beschließt das Huhn zu braten. Das beste Brathuhn, der Knoblauch, der Wein und das Brot bringen sie zurück ins Leben. Sie will leben, denn sie will Kochen und das Essen genießen.

 

Das Leben kochend genießen

 

Das Buch ist eine andere Art Kochbuch. Denn die hier versammelten Geschichten erzählen von einem Leben, dem alles zu viel wurde. Ein Leben, das überlegt, ein Ende zu setzen. Und ein Leben, dass sich dann doch nicht vor einen Bus wirft, sondern einen Pie zubereitet. Und es ist ein Buch, dass Rezepte versammelt, um wieder auf die Beine zu kommen. Denn Kochen – als Vorstufe des Essens gesehen ist die Abkehr von Lebensmüdigkeit.

Diese Überlegungen sind der Beginn des neuen Lebens und dieses Buches, das den Leser einlädt, die Lektüre und die Rezepte zu genießen, wie ein Küchengespräch mit einer guten Freundin. Und die immer wieder aufscheinende Melancholie verwandelt sich mit der Zeit in ein angenehmes Gefühl. Ganz so, als würde an einem regnerischen Tag das Feuer im offenen Kamin knistern. Denn die sehr persönlichen Geschichten rund um die hier versammelten Rezepte geben einen Einblick, wie sehr Gerichte und deren Zubereitungsarten mit schönen Momenten verknüpft sein können. Und ja: Man wird die Lektüre unterbrechen, das Buch zur Seite legen und einige der liebevoll beschriebenen Rezepte nachkochen. Sie passen zum britischen Wetter.

Die Rezepte sind alle britisch geprägt und es gibt schöne Entdeckungen. Natürlich findet auch Marmite – das britische Maggi – hier eine seelentröstende Anwendung. Nun ist Marmite sehr speziell und wer es in diesem Falle nicht ganz so britisch mag, dem sei beim Rezept Marmite-Spahetti empfohlen, Marmite durch helle Miso-Paste zu ersetzen.

In diesem Buch mit seinen wunderbaren Geschichten, seinen teils weinseligen, teils launischen, stets lockeren Rezeptanmerkungen sind mehr als 80 Rezepte versammelt für die es sich, wie es im Untertitel heißt, zu leben lohnt. Nach der Lektüre weiß man, wie unpathetisch, aber rundum ehrlich dieser Titel gewählt worden ist.

Es ist ein Buch, das einen anderen Zugang zum Kochen ermöglicht und damit erhält man einen anderen Blick auf die Welt. Lektüre lohnt.

 

Tartuffel empfiehlt:

Ella Risbridger: Die Geschichte beginnt mit einem Huhn. Rezepte, für die es sich zu leben lohnt. Illustrationen: Elisa Cunningham, 288 S., geb., München 2020, 29,95€

 

 

 

Mehr auf Tartuffel