Grund-Reinigung
Thomas Mann, Winston Churchill, Albert Camus, Samuel Beckett, Heinrich Böll, die Liste dieser Nobelpreisträger für Literatur ließe sich beliebig erweitern, denn sie alle haben für eine tägliche Arbeit in ihren an Worten reichen Werken keinen Platz: Das Putzen würdigen sie nicht mit einem Wort. Dabei haben wir für das Putzen durchaus zahlreiche Bezeichnungen entwickelt. Denn es handelt sich um differenzierte, ja zuweilen sogar höchst diffizile Handlungen. Doch es geht um mehr, als um Frühjahrsputz, Staubwischen, Staubsaugen oder Feudeln. Jede Art der Reinigung verlangt Übersicht und einen klaren Plan, will man am Ende nicht mehr Chaos verursacht haben, als eben: Klärung. Denn ja, Klärung ist das Hauptanliegen einer jeden Reinigung, sei es im eigenen Heim, vor der sprichwörtlichen oder realen Tür oder am eigenen Körper. Gleich ob Haar- oder Müllentsorgung, es handelt sich sowohl um alltägliche, als um im Jahresverlauf wiederkehrende feste Rituale. Der Frühjahrsputz selbst verweist sicherlich auf unsere Stammesgeschichte und erinnert uns unbewusst daran, dass unsere Vorfahren einst Höhlenbewohner waren und den Winter über am Lagerfeuer weilten, bis die ersten wärmenden Sonnenstrahlen den Schnee zum Schmelzen brachten, die Seen von Eis befreiten und somit zum reinigenden Bad einluden. Die Höhle konnte gelüftet und der Körper im feuchten Nass gereinigt werden. In den folgenden Jahrtausenden hat sich unser Bedürfnis, uns und unsere Behausung zu reinigen allerdings ausgeprägt, denn auch im Winter gehen wir mittlerweile aus dem Haus, oder empfangen in ihm unsere Gäste. Körper- und Haushaltsreinigung sind daher unabdingbare Handhabungen, die wir nicht komplett delegieren sollten.
Kochen und Putzen
Welche Bedeutung das Putzen für uns hat, erklärt sich erst, wenn wir es im Zusammenhang mit der anderen täglichen Notwendigkeit betrachten: dem Kochen. Denn diese Reproduktionsleistungen verhalten sich wie zwei Seiten einer Medaille. Kochen, in diesem Zusammenhang verstanden als Reproduktionsleistung, ist ja nichts anderes als das Zubereiten von Lebensmitteln zum Verschlingen. Im Endeffekt bleibt nichts, abgesehen von der zeitweisen Beseitigung des Hungergefühls, was wir aber als eine produktive Leistung verstehen, obwohl die Rückkehr des Hungers, also die Verarbeitung der Lebensmittel doch in Wirklichkeit die wahrhaft produktive Leistung ist. Umgekehrt haftet dem Putzen in unserer Vorstellung nichts Produktives an. Zu Unrecht. Denn gerade dem Reinigen wohnt, wie das Wort schon zum Ausdruck bringt, eine positive, also auch sinnlich verändernde Kraft inne. So, wie das Essen eine Restauration für den Körper, ist das Putzen eine Restauration für die Seele. Gut, das Kochen ist seit geraumer Zeit der Medienstar, schwer vorzustellen, dass es in naher Zukunft Sendeformate wie „Putzen Impossible“ oder „Schrubb den Henssler“ geben wird, aber – warum eigentlich nicht? So wie der Koch aus der Schmuddelecke seines Frittierdaseins gelockt wurde, könnte man sich vorstellen, dass das Putzprekariat bald schon zu medialer Geltung gelangt. Vielleicht schaffen wir es dann, das Putzen nicht einfach als ein reines Beseitigen vorzustellen, sondern es aus seiner staubigen Vorstellung, die zu sehr an Sisyphos gemahnt, herauszulösen und sein kreatives Potential zu erkennen.
Warten auf Reiniger
Warten wir also auf den Tag, an dem sich Martin Suter, Autor des Weltbestsellers „Der Koch“ an seinen Schreibtisch begibt, um, angeregt durch ein einziges Staubkorn, einen neuen Roman zu schreiben: „Der Reiniger“. In diesem Roman wird es nicht um tamilische Küche in molekularem Gewandt gehen - irgendwie musste ja auch das Kochen unter die Leute gebracht werden - sondern um Nachhaltigkeit und Leichtigkeit des Reinigens im Haushalt und ja, es wird natürlich auch – wie beim Kochen – um Verführung gehen. Wie auch sonst ließe sich ein Roman zu diesem Thema als Bestseller verkaufen? Aber harren wir auf die Ideen des Autors aus der Schweiz und also auf den ersten Roman zum Thema Grund-Reinigung.