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Thierry Gérente und Michael Kempf auf dem französisch-deutschen Genussgipfel in Berlin | © und Foto: Melodie Fénez, Ambassade de France

Gespräch Gérente Kempf

Sie waren die eigentlichen Protagonisten des französisch-deutschen Genussgipfels im vergangenen Jahr. Thierry Gérente und Michael Kempf über das Weltkulturerbe für die französische Art des Essens und die eigene Kochphilosophie.

Ein Gespräch mit den Köchen Thierry Gérente und Michael Kempf

Herr Gérente, an welches Gericht haben Sie spontan gedacht, als Sie erfuhren, dass Michael Kempf Ihr Partner auf dem Genussgipfel wird?

Thierry Gérente: Ich habe an kein bestimmtes Gericht gedacht, sondern wollte ihm die Küche zeigen, wie sie in Frankreichs Familien gepflegt wird.

Ihr Ziegenkäse Rosmarin Eis auf karamellisierten Birnen und Akazienhonig ist eine wunderbare eigenständige Komposition und zugleich ein leiser Vermittler zwischen Hauptgang und Dessert. Wann haben sie die Idee hierzu entwickelt?

Thierry Gérente: Eine traditionelle französische Käseplatte ist etwas Wunderbares. Aber darüber hinaus ist französischer Käse auch ein tolles Produkt, aus dem man vieles zaubern kann. Die Ideen dazu entwickle ich relativ spontan. Ich denke an eine bestimmte Käsesorte und frage mich: Was wurde noch nie mit diesem Käse gemacht? Mögliche Geschmacks-Assoziationen spielen sich in meinem Kopf ab und schon ist eine neue Rezeptidee entstanden.

Herr Kempf, Steckrübe, Quitte, Kürbis und rote Beete: Wie haben die Gäste in der Botschaft diese lange vergessenen regionalen Klassiker aufgenommen?

Michael Kempf: Sie waren erstaunt, dass ich als junger Küchenchef darauf Wert lege, vergessene Produkte perfekt zu verarbeiten und so längst zu verloren geglaubte Geschmacksrichtungen  wieder salonfähig zu machen. Auch spielt hier die Kindheitserinnerung der Gäste ein große Rolle, was für mich bei der Kreation neuer Gerichte stets wichtig ist.

Lamm an Kraut & Rüben: Mit dieser Kombination haben sie nicht nur viel Mut, sondern auch Augenzwinkern bewiesen. Wie wurde ihre Komposition bewertet – von den Gästen und Ihrem Kollegen Thierry Gérente?

Michael Kempf: Bei der Entwicklung neuer Menüs ist mir persönlich immer sehr wichtig, woher kommt das Hauptprodukt und wo wächst es auf. Nehmen wir das Lamm. Es wächst sehr erdbezogen auf und erhält seinen typischen Eigengeschmack durch den Boden, auf dem es aufwächst. Kraut und Rüben gehen in die gleiche Richtung und somit kann eine Verbindung beider Protagonisten hergestellt werden. Mein Kollege von der französischen Botschaft fand vor allem die Garung des Gemüses und des Lammes perfekt und sprach mich explizit darauf an.

An die klassische französische Küche werden meistens ganz bestimmte Erwartungen gerichtet. Wie gehen Sie, Herr Gérente in ihrer Arbeit damit um?

Thierry Gérente: Ich finde die Stärke eines Kochs liegt darin, neue Horizonte zu erschließen und gleichzeitig Traditionen zu bewahren, also Neues mit Altem kunstvoll zu verbinden. Als Küchenchef der französischen Botschaft in Berlin versuche ich beispielsweise, meine Kreationen den Geschmacksvorlieben der Deutschen Gäste in der Botschaft anzupassen, und ihnen gleichzeitig einen Eindruck von der französische Küche zu vermitteln. Und das findet bei fast allen Gästen großen Anklang.

Herr Kempf, noch einmal zurück zum Augenzwinkern: Der Gin, den sie in ihrer Vorspeise verwenden, wird zwar im Schwarzwald hergestellt, erfunden hat ihn aber der Brite Montgomery Collins der sich nach dem 2. Weltkrieg im Schwarzwald niederließ. Haben sie eigentlich innerlich lachen müssen, als sie auf dem bilateralen Genussgipfel einen prominenten Vertreter Englands mit ins Essen schmuggelten?

Michael Kempf: Pointe somit gelungen! Sie waren bis jetzt der erste Gast, dem diese Tatsache aufgefallen ist…perfekt. Lacher beiseite…der Gin spiegelt den Schwarzwald wieder. Die Gerüche, Farben und Eindrücke die ich dort als Kind hatte schmeckt man sehr deutlich aus dem Gin heraus. Für mich mit Abstand der beste Gin und immer in meinem Kühlschrank vorhanden.

Was bedeutet für Sie französisch und deutsch, wenn es um das Essen, um seine Zubereitung und seinen Genuss geht? Wo sind die Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede?

Michael Kempf: Ich will da eigentlich gar nicht trennen. Für mich basiert eine sehr gute Küche immer auf französischem Handwerk und Wissen. Diese Wurzeln ziehen sich durch alle Toprestaurants in Deutschland.

Herr Gérente, zum Schluss Hand auf´s Herz: Was bedeutet für Sie als Franzosen die Auszeichnung der französischen Küche als immaterielles Weltkulturerbe? Welches Zeichen geht davon aus – auch nach Deutschland?

Thierry Gérente: Die Auszeichnung ist aus meiner Sicht sehr wichtig – gerade auch im Hinblick auf unsere ausländischen Freunde. Man sagt uns Franzosen ja manchmal nach, dass wir selbstverliebte Querulanten seien. Gut, mag sein, dass wir ein paar Macken haben. Aber eines kann niemand bestreiten: Wir essen gerne, lieben leckere Speisen und gute Weine. Und wir teilen unsere Mahlzeiten gerne mit anderen Menschen. Das haben wir übrigens mit den Deutschen gemeinsam. Doch wir dürfen uns nicht auf unseren kulinarischen Lorbeeren ausruhen. Ich denke und hoffe, dass die Auszeichnung der französischen Esskultur als immaterielles Weltkulturerbe uns anspornt, uns beständig weiter zu entwickeln. Ich bin überzeugt, dass die französische Esskultur noch viele goldene Jahre vor sich hat!

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