Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Formschön und vielseitig

Nachtschattengewächs und Geschmacksbooster: Aubergine

Schon der schiere Anblick dieses Gemüses ist eine sinnliche Offenbarung. Dieses schimmernde Schwarz mit leichten lila anmutenden Reflexen.

Reife, frisch geerntete Auberginen betören auf den ersten Blick, regen zu zärtlicher Berührung oder einfach zum Verschlingen ein. Doch sollte man sich zügeln und statt reflexhafter Triebbefriedigung lieber umsichtige Zubereitung vorsehen. Denn im Falle der Auberginen, verhält es sich wie mit anderen schönen Dingen: Set und Setting sollten stimmen, um dem Genuss den Raum zu verschaffen, den er zu seiner Entfaltung benötigt, denn roh sind diese Nachtschattengewächse das Gegenteil ihrer Erscheinung: Fad und schlicht. Aber schon kleinste Bearbeitungsschritte verwandeln die Schönheit der rohen Frucht in kulinarische Sensationen: Abwechslungsreich, vielseitig und in vielen Ländern unverzichtbare Zutat typischer Spezialitäten: Baba Ghanoush, Moussaka, Caponata. Auberginen machen sich gut gefüllt oder als Auflauf, verführen als Auberginenkaviar und sind die unverzichtbare Zutat des provenzalischen Ratatouille. Kurzum, es ist sicherlich kein Zufall, dass das erste deutsche Restaurant, welches vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet wurde, nach diesem sinnlichen Gemüse benannt wurde: 1978 bekam das Restaurant direkt nach seiner Öffnung zwei Sterne, 1979 den dritten und setzte Deutschland endgültig auf die kulinarische Landkarte internationaler Feinschmecker. Die Ernennung von Eckart Witzigmann zu einem von insgesamt bis heute nur vier Köchen des Jahrhunderts erfolgte allerdings erst nach der erzwungenen Schließung seines Restaurants mittels Konzessionsentzugs von Seiten der Behörden. Wolfgang Becker brachte es in seiner trockenen moselfränkischen Art passend auf den Punkt:

„Deutschland tut sich immer noch schwer mit seiner Kulinarik. In anderen Ländern hätte man ihm schon zur Zeit des Bestehens seines Restaurants ein Denkmal errichtet. Bei uns verliert er die Konzession.“

Eckart Witzigmann, der mit seiner Aubergine Deutschland auf die kulinarische Weltkarte setzte, verlor sein Restaurant und wurde doch zu einem der vier Köche des Jahrhunderts. Mit seiner Arbeit, besonders aber durch seine zahlreichen Schüler hat er die Kochkunst in Deutschland entscheidend geprägt. Die schöne Frucht hat er mit Sternenglanz versehen: Man kann es erkennen, wenn man die schimmernde Haut der Aubergine nur richtig betrachtet.

 

Mehr auf Tartuffel