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Sauber verpackt, sauber zu portionieren: die moderne Verpackung der einstigen eisernen Ration | © By User:Rainer Zenz (User:Rainer Zenz) [GFDL, CC-BY-SA-3.0 or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

Erbswurst

Eine militärische Karriere zivil verrührt

Die eiserne Ration

Es ist kein zufälliger Fingerzeig, dass man bei der Wikipedia-Suche nach dem „Erbseneintopf“ auf die „Einmannpackungen – EPA“ der Bundeswehr verwiesen wird. Schließlich ist die Geschichte der Erbswurst, ähnlich jener der Gulaschkanone, nicht von der militärischen Versorgung zu trennen.

 

Die Erbswurst ist eine der ältesten, industriell hergestellten Fertiggerichte und ein moderner Nachfahre der Rumfordsuppe. Und in Hinsicht auf ihre militärische Anwendung ist sie zuweilen praktischer als eine konventionell hergestellte Suppe. Denn eine solche muss stets in einer (Feld-) Küche zubereitet werden, während die Erbswurst schon eine fertig getrocknete Suppe ist, die lediglich in entsprechende Portionen, sogenannten Portionstabletten, unterteilt, mit Wasser versehen und erwärmt werden muss. So ist die Geschichte der Erbswurst eine Geschichte der militärischen Verpflegung und untrennbar mit dem Begriff der „Eisernen Ration“ verbunden.

Gemeinhin wird die Entstehung des Begriffs der „Eisernen Ration“ mit dem Ersten Weltkrieg in Verbindung gebracht. Tatsächlich aber stammt der Begriff aus der Zeit, als es erstmals für Soldaten eine solche Ration – jenseits der traditionell mitgeführten kalter Nahrung – gab: als Notverpflegung, die lediglich auf Befehl eines Offiziers verzehrt werden durfte. Ihre erste Feuertaufe bestand die eiserne Ration im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und markiert damit eine industriell-militärisch-kulinarische Erfolgsgeschichte.

Portionstablette

Erst drei Jahre zuvor hatte der Koch und Konservenfabrikanten Johann Heinrich Grüneberg die Portionstablette in Berlin entwickelt. Die Tabletten bestanden ursprünglich aus grünen oder gelben Erbsenmehl, Speck, Rinderfett, Salz und anderen Gewürzen. Diese Erfindung verkaufte er für 35.000 Vereinstaler an die preußische Armee, die sie schon im folgenden Krieg mit Erfolg einsetzte. Vorausgegangen war diesem Ernstfall ein erfolgreicher Militärversuch, in welchem die Soldaten bei normalem Dienst über sechs Wochen lang ausschließlich mit Erbswurst und Kommissbrot verpflegt wurden.

Schon zu Ausbruch des Krieges wurde 1870 eigens auf Staatskosten eine Fabrik errichtet, in welcher täglich zunächst sieben Tonnen Erbswurst hergestellt wurden. Fortan gab es die Erbswurst als traditionell verbindenden Strang zwischen der preußischen Armee, dem Deutschem Heer, der Reichswehr und der Wehrmacht bis zum EPA-Nachfolger der Bundeswehr.

Grundausbildung: Essen fassen

Victor Klemperer beschreibt in den „Erinnerungen“ seine ersten militärischen Eindrücke als nüchtern irritierter Beobachter des Geschehens und findet bereits hier den Tonfall, der seine Tagebücher auch aus der Zeit des Dritten Reiches prägen wird.

Grundausbildung München 1915
„Man musste in der Kantine Blechnapf, Messer, Gabel und Löffel kaufen, nur an diesem ersten Tag wurde uns das Gerät geliehen. An der Ausgabestelle trat man im Gänsemarsch an, den Napf in der Rechten, die Mütze in der Linken: In den Napf kamen der Fisch oder das Fleisch mit dem Kraut oder die Erbssuppe mit dem dicken Speck, in die Mütze die Pellkartoffel. [...] Das Essen war in diesem zweiten Kriegsjahr noch sehr gut und reichlich.“

Eiserne Ration im Küchenschrank

Heute kann man – ganz unmilitärisch – die Erbswurst im Supermarkt kaufen. Zurück aus dem Feindesland am heimischen Herd schneidet man sich ein Portionsstück aus der Erbswurst, erhitzt es mit ausreichend Wasser in einem Topf, und lässt es auf dem Herd mindestens drei Minuten leise köcheln, damit sich die Aromen gut verteilen. Vor dem Verzehr – egal ob aus Blechnapf, Kochtopf oder Essgeschirr – gilt so einheitlich wie traditionell: Helm ab zum Tischgebet.

 

Linktipp

The Austerity Kitchen über die Erbswurst

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