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Cover des besprochenen Bandes (Ausschnitt) |© KBV

Der Koch und ich

Ich habe relativ lange überlegt ob ich eine Rezension über ein Buch schreiben kann, welches das kulinarische Werden eines sehr guten, nein, besten Freundes zum Inhalt hat. Werde ich nicht mäkelig? Weiß ich nicht alles oder jedenfalls das meiste besser? Nein, weiß ich nicht! Ich schreibe sie, auch weil Jean-Marie mich heute dazu ermuntert hat: 

„Wenn jemand darüber schreiben kann, dann du“, oder so ähnlich. So nebenbei, als er gerade Curryespuma zubereitete und mich fragte ob ich nicht ein paar Austern mitessen möchte und etwas Seehecht. Ich habe schweren Magens ablehnen müssen, denn eine halbe Stunde vorher hatte ich bereits Püree und Fisch mit milder Senfsoße, zum grünen Salat einverleibt. Na ja, das Stück überragenden Christstollen habe ich noch in meinem geräumigen Appetit unterbringen können.

Eine Freundschaft und eine Buchrezension 

Aber jetzt zur eigentlichen Einbuchung:

Die zahlreichen Kochbuch-Rezensionen der letzten Monate haben eines gemeinsam. Ich kenne die Autoren nicht persönlich. Nicht so bei diesem Werk. Carsten Sebastian und Nik sowie Ira Schneider laufen mir gelegentlich über den Weg. Meistens bei Kochevents oder Lesungen auf Buchmessen. Aber damit nicht genug. So gut wie alle Personen, der vergangenen vierzig Jahre, die in der Biographie von Jean-Marie auftauchen, habe ich schon einmal gesehen, gesprochen oder umarmt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Jean-Marie, Colette und die Familie uns das erste Buch aus der14-gängigen Lieferung gewidmet hat.

„Lieber Frank, liebe Heidi- Gemeinsame Geschichten- Viel Spaß! 4. Okt. 2019“

Herzlichen Dank dafür, lieber Freund. Ja, wir haben oft gemeinsame Sachen gemacht.

 

Kleiner Rückblick

 

Ich habe unsere zusammen erlebte Zeit in der Story „Der Koch und ich“ niedergeschrieben, Auszüge sogar ins Französische übersetzt. Hat das Zeug dazu, ein Buch zu werden, aber schauen wir nicht in die Zukunft, sondern in einen kleinen Ausschnitt dieses Buches, der uns ins Jahr 1980 versetzt:

„Die erste Möglichkeit, den Hunger zu stillen, bot ein Fachwerkrestaurant mit dem nach Schnitzelklingenden Namen „Alt-Sinzig“. Da konnte also nichts schief gehen. Wir erwarteten Gutbürgerliches. Gegen 14.00 Uhr waren wir froh, noch etwas gefunden zu haben. Die letzten Gäste verließen gerade das kleine Foyer, wahrscheinlich hatten sie für deutsche Verhältnisse sensationell lange gespeist. Wir nahmen an einem der altmodischen Tische Platz und eine kleingelockte weibliche Person brachte uns die braunbelederten Speisenkarten und sagte: „Als Empfehlung (h)aben wir heute: Salat Großmütter Art e Lammnüss.“ Der charmante französische Akzent trieb meine Brauen in Richtung Haaransatz. Wo waren wir hineingeraten? In Sinzig ein französisches Restaurant? Unglaublich. Aber ein Blick in die Speisekarte bestätigte unsere Vermutung. Zweisprachig. Das strahlende Lächeln der Chefin ließ meinerseits nichts anderes zu, als ihren Vorschlag des Tagesgerichtes zu akzeptieren. Sie rief in Richtung Schiebtür, welche die Küche vom Gastraum trennte: „Jean-Marie, deux salades grande mere et Lammnüss.“ Lustige Aussprache, dachte ich, da echote es schon von der anderen Seite der Tür „Ca marche“. Anscheinend hieß der Koch Jean-Marie.“

 

Bio-Grafien

 

Aber ich will ja nicht mein Geschreibsel rezensieren, sondern den Inhalt des vierzehngängigen Lebens von Jean-Marie Dumaine, das Henn und Wojtko in geschliffenem Schreibstil zelebrieren. Die Beschreibung der Kindheit, also die Lebenserinnerungen laufen vor meinen Augen wie ein Film ab. Ich sehe die Landschaft, die der meiner Kindheit, so sehr ähnelt, jedenfalls in meiner Erinnerung.

Die sonntagsfeine Kleidung, und die Beschreibung des täglichen Lebens. Die Selbstverständlichkeit der Mitarbeit von Kindern auf einem Bauernhof, die Strenge der Eltern, meistens des Vaters und die Prügelstrafe, die aber nicht wirklich davon abhielt, neue Abenteuer zu suchen. Das Einfache aber schmackhafte Essen, es wurde nichts weggeworfen. Innereien, Fettrand am Kottelet alles lecker. Kein Wunder, dass Heidi mich schon mal „Frank Dumaine“ nennt. Ich muss auch alles suchen, finden, üben, variieren und gestalten.

 

Never stop eating

 

Die beiden Autoren teilen sich die vierzehn Gänge auf. Carstens kulinarische Einblicke enden bei den Trüffeln, den heimischen Exoten. Was mir besonders gefällt, sind die anekdotischen Auflockerungen zwischen den übersichtlichen Rezepten, wobei mindestens 4 Personen berücksichtigt werden, für die Zutaten zu beschaffen sind. Alles liest sich spielerisch leicht und ermuntert zum Nachkochen. Dass das Gekochte auch mundet wissen Carsten Sebastian, Nikolai, Ira und ich schon sehr lange. Wie könnte es anders sein, dass mein Lieblingsrezept der ersten sieben Gänge, Trüffelcarpaccio mit Wildkräutersalat ist (Seite 83)? Ja, genau, auch weil es für mich am einfachsten ist, alle Zutaten frisch zu besorgen. In Wiesen und Wäldern, schließlich nennen mich einige Mitmenschen Tuber-Frank. Mit dem legendären Trüffelhund Max war es früher noch einfacher. Bei Hummer Armoricaine (Seite 39) wäre es schon schwieriger, da würde ich doch lieber Jean-Marie über die Schultern schauen. Kann ich, weil ich größer bin als er, aber ein kleines Licht im Küchendunst. Und einen Hummer kann man schnellverkochen. Zuhause spottete man dann vielleicht: Der Amoricaine war sein Schicksal. 

Da lasse ich lieber Tante Lotte an der Gräte braten. 

Ab Gang 08 schreibt Nik Wojtko. Er beleuchtet die Wildkräuterära nochmals genauer. Jean-Marie ist über die wildwachsenden Kräuter und Pflanzen zu dem geworden, was er heute noch ist. Ein Medienstar der Kulinarik, basierend auf dem, was in den Ahr-Auengedeiht. Grünzeug, Geschmacksbomben, die er zum Detonieren brachte. Essbare Landschaften, ungeahnte Genüsse. Auch Nik Wojtko geht nochmals auf die Geschichte des Vieux-Sinzig ein. Er orientiert sich an den schmackhaften Konserven, die Bewahrer der Aromen, die den Gaumen verzögernd kitzeln und Genuss ermöglichen, wenn die ganz frischen Zutaten fehlen. Die Pastetengläser, eingekochte Erinnerungen an die Rezepte der Großmutter, welche Jean-Marie sehr dankbar übernommen und verfeinert hat. Ich mag diese Patés so sehr, besonders zusammen mit seinem Baguette. Never stop eating. Aber auch die süßen Sachen lassen das Wasser im Mund zusammenlaufen, außergewöhnliche Schöpfungen, die Rundungen nach sich ziehen können.

Jean-Marie hat längst drei Sterne in unseren Herzen. Die sind wichtigerer als die von allen Guides is Gault und er ist vom Schicksal der Sternevergabe durch Mainstremküchenbewerter verschont geblieben. Er hat sich seine Authentizität deshalbbewahren können und uns inspirierende Kreationen geschenkt. Seine Familie hat ihm den nötigen Rückhalt gegeben, und er kann sich auf sie immer verlassen. Das schöne Bild auf Seite 153 verdeutlicht dieses. Alle legen Hand an, wenn nötig manus facere, Hand gemacht ist die Fortführung der Restaurantgeschichte.

Während andere zwei Asse im Ärmel der Kochjacke hatten, waren es bei Jean-Marie immer vier Könige. Der Vierte König kocht jetzt in Köln, Jaspreet Dhaliwal-Wilmes, unser Preet. Dieses Buch wird auch in seinem Restaurant. „Der vierte König“ in Köln vorgestellt.

 

Fazit

 

Glückwunsch an die Autoren und alle, die an dem Werk beteiligt sind. Ein Geschenk aus spannender Erzählung, veritablen Kochanleitungen und appetitlichen Bildern. Glückwunsch an den KB Verlag, der sich dieses Juwel gesichert hat. Es ist in dieser Kochbuchflut eine Insel, die ruhig inmitten der Wellen schwimmt. Mediis tranquillus inundis. Ile flottante. Ich habe mich dorthin bereits begeben, wenn ich darin blättere. Heute mit einem 73er Zweigelt, der im Glas funkelt. Das Buch wird unter vielen Weihnachtsbäumen oder Gabentischen zu finden sein und dann den Weg in die Küchen nehmen.

 

 

Tartuffel empfiehlt:

Carsten Sebastian Henn, Nikolai Wojtko: Jean-Marie Dumaine - Ein Leben in 14 Gängen

Fotos: Ira Schneider, 156 S. geb., KBV-Verlag Edition Eyfalia, Hillesheim 2019, 25,00€

 

 

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