Der Gast ist kein König
Von Nachbarn lernen
Das Geschrei wird größer, die einzelnen Speisen geraten nicht so perfekt, wie es der Hausherr wünsch und der Abend endet in erschöpfter Weinseligkeit. Später wird er für zahlreiche Anekdoten gut sein, allerdings zeugen alle davon, dass der Abend ansonsten eher verdorben war.
Es ist die alte Frage, was einen guten Gast, mehr aber noch, was einen guten Gastgeber auszeichnet. Viele Meinungen und gute Ratschläge gibt es Hierzulande, da lohnt ein Blick zu unseren französischen Nachbarn, die neben ihrem dem Essen auch die Gastfreundschaft zelebrieren. Laut der ungeschriebenen französischen Etikette dürfen die Gastgeber - vorausgesetzt es handelt sich um ein Paar – den Gast nicht alleine lassen. Unabhängig von den noch zu erledigenden Aufgaben gilt es, dass sich zumindest einer der Gastgeber um das Wohl des Gastes und die Konservation vor und bei Tisch zu sorgen hat. Eine Situation wie die eingangs skizzierte, könnte auf diese Weise also gar nicht entstehen. Was also zeichnet einen guten Gastgeber aus? Seine feine Kleidung? Gutes Schuhwerk? Ein festlich gedeckter Tisch? Teure Weine? Ja und nein könnte man sagen und damit lediglich zum Ausdruck bringen, dass dies eben nicht einen Gastgeber als gut qualifiziert. Denn selbstredend freuen sich Gäste über eine durchdachte Auswahl und Qualität an Getränken und Speisen. Jedoch gibt es andere, entscheidendere Kriterien. Zum einen geht es um die Idee: Was möchte man seinen Gästen präsentieren? Was möchte man ihnen zeigen? Womit möchte man sie überraschen und sie verwöhnen? Wichtig vor allem aber ist, dass der Gastgeber seine Rolle nicht im Verschwinden sieht und also hinter verschlossene Türen in seine Küche flieht. Ein solches Verhalten wäre nur sinnvoll, wenn man den Gast wie einen König behandelt und zur seiner Dienstbarkeit eifrig hinter den Kulissen der Küchentür verschwindet.
Gemeinsames Gespräch begründet Gastlichkeit
Hier kann man von der nachbarschaftlichen Regel lernen. Dabei geht es nicht nur um die sinnvolle Aufgabenverteilung unter den Gastgebern, sondern mehr noch um die Frage, wie man die Gäste empfangen möchte. Denn im privaten Bereich geht es nicht um Dienstleistung. Auch wenn der Gast gerne gesehen ist, soll aus ihm doch ein Freund werden. Damit Gastfreundschaft also gelingen kann, darf der Gast sich nicht wie ein König geben, oder als solcher behandelt werden. Er selbst wird die Umarmung erwidern, wenn er mit offenen Armen empfangen wird und er wird die gemeinsam verbrachte Zeit genießen, wenn der Gastgeber nicht sein Heil in der Flucht, sondern im gemeinsamen Gespräch sucht. Hier aber kann man von unseren Nachbarn eine ganze Menge lernen, denn ein guter Gastgeber ist stets auch ein Meister des mise en place. Und davon sollte man sich eine gehörige Portion abschneiden. Gute Vorbereitung verlängert zwar die Arbeitszeit, bevor die Gäste eintreffen, verkürzt sie aber spürbar, wenn sie eingetroffen sind. Die Gastgeber können den Abend entspannt entgegen sehen, sie haben sich während der Vorbereitung genügend Gedanken über interessante Gesprächsthemen und vielleicht auch einige Überraschungen für die Gäste gemacht, vor allem aber haben sie dafür gesorgt, dass sie Zeit haben, nicht nur um Gäste zu bewirten, sondern um sie als Freunde zu achten.