Apfel
In der Malerei wird der Apfel als Anstoß zum Sündenfall dargestellt, er ist es, der die Verführung symbolisiert. Eva reicht ihn Adam hin, auf dass beide das göttliche Verbot unterlaufen, um sich ihrer selbst bewusst zu werden. Unwahrscheinlich, dass es sich im Garten Eden um den Paradeiser, die in Österreich als Paradiesapfel bekannte Tomate handelte, denn dieser Frucht fehlt mehr als nur der zugehörige Baum der Erkenntnis, von dem sie stammen müsste. Eher käme hierfür der Granatapfel in Frage, den schon die Punier religiös verehrten und der nicht nur über einen reizvollen Baum als Fruchtträger verfügt, sondern ebenfalls über einen verführerischen Geschmack.
Und gerade in seinem Geschmack liegt der Wert des Apfels – im gastrosophischen wie religiösen Sinne. Erst mit dem Schmecken der verbotenen Frucht vom Baume der Erkenntnis setzt die Verstandestätigkeit von Adam und Eva ein. Erst der sinnliche Eindruck der Frucht, der diese beiden Menschen als erste in die Lage versetzt, sich ihrer selbst bewusst zu werden und keiner Fürsorge Gottes mehr zu bedürfen. Den Apfel zu reichen, mag die Geste der Verführung sein, aber erst das Schmecken des Apfels bringt den Erfolg der Verführung – und den Erkenntnisgewinn.
Der Apfel bringt uns auf den Geschmack. Er wird schon seit der Antike der Liebe, Fruchtbarkeit und Sexualität zugeordnet. Aphrodite ist ohne den Apfel so wenig denkbar wie Iduna, die germanische Gottheit der ewigen Jugend. Kein Wunder, denn Äpfel sind nicht nur seit Jahrhunderten eine beliebte Umschreibung der weiblichen Brust, sondern auch schon von Goethe ins Literarische erhoben worden. So legt der Dichterfürst seinem Faust folgende Worte in den Mund:
„Einst hatte ich einen schönen Traum:
Da sah ich einen Apfelbaum,
zwei schöne Äpfel glänzten dran,
sie reizten mich, ich stieg hinan.“
Manches Mal liegen Erkenntnis und Erotik dicht beisammen. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb uns die religiösen Bilder den Apfel stets vor dem Sündenfall zeigen: er liegt noch jungfräulich in Evas Hand.