Amuse Bouche: Reiseerfahrungen
Ansporn, Motivation und neue Horizonte
Die Erfahrungen, die ich in den „Schweizer Stuben“ in Wertheim machte, sind für meine Art des Kochens prägend gewesen. Ich hatte das Glück mit Adalbert Schmitt nicht nur den außergewöhnlichen Inhaber eines besonderen Restaurants kennenzulernen, sondern darüber hinaus einen Menschen, der von dem Gedanken beseelt war, eine wirklich herausragende Küche zu etablieren. Darüber hinaus verfügte Schmidt über eine tief verwurzelte Liebe zur Toskana, zu Ligurien und dem Piemont und deren bis dahin in Deutschland eher unbekannten Küche. Man kann sicherlich eine Menge über Adalbert Schmitt sagen, an dieser Stelle möchte ich lediglich zwei Besonderheiten dieses außergewöhnlichen Mannes herausstellen.
Schmitt besaß ein hervorragendes Geschmacksempfinden und sah es als seine Aufgabe an, Menschen für geschmackliche Höchstleistungen zu begeistern. Man kann sich das heute – da allerorten über Köche und Kochstile gesprochen wird - vielleicht gar nicht mehr vorstellen, dass es eine Zeit gab, in der man sich nicht so viele Gedanken über das Essen und seine Zubereitung machte. Dazu war dies eine Zeit, in der man überlegen musste, wo man Produkte für seine Gerichte bekommen konnte. Wir fuhren damals regelmäßig ins Elsass oder nach Frankfurt auf den Großmarkt, da wir nur an diesen Orten die von uns gewünschten Produkte in hervorragender Qualität bekommen konnten.
Es war eine Zeit, in der die mediterrane Küche hier zu Lande so gut wie unbekannt war. Doch zu meinem großen Vorteil erwies sich Adalbert Schmitt als ein akribischer Arbeiter. Er bereitete unsere Reisen stets sehr gründlich vor. Sein Ziel war es, nicht nur mir als Koch ein vertieftes Verständnis von den Geheimnissen vor allem der italienischen Küche zu vermitteln, sondern er war auch beseelt von der Idee, Bücher über diese Reisen anzufertigen. Er fotografierte leidenschaftlich und leidenschaftlich gerne. Die Bücher, die so auf diesen Reisen entstanden sind, muten heute mit ihren imposanten Fotografien wie Zeugnisse aus einer vergangenen Zeit an. Sie zeigen Küchen, die es mittlerweile so nicht mehr gibt, doch sie verzaubern noch heute den Leser.
Schmitt gab diese Bücher im Eigenverlag heraus und verkaufte Zeit seines Lebens rund 35.000 Exemplare. Ich kann nur empfehlen, einmal bei Gelegenheit etwa in „Schwarze Zypressen. Essen und Weine in der Toskana“, „Könige der Langhe. Essen und Weine im Piemont“ oder „Hinter der Promenade. Kulinarische Souvenirs“ einen Blick zu werfen. Sie finden in diesen Büchern eine Reihe von Rezepten von mir, die im Laufe dieser gemeinsamen Reisen in den Jahren 1982 bis 1986 entstanden sind. Adalbert Schmidt veröffentlichte drei Bücher mit mir und eines mit meinem Bruder Jörg. Das letzte Buch dieser Serie erschien 1987. Wenn ich jetzt nachdenke, ist es noch gar nicht so lange her, aber dennoch zeigen diese wunderbaren Bücher eine andere Zeit.
Man merkt den Büchern auch Schmitts Liebe zu diesen Landstrichen, zu Ligurien, der Toskana und dem Piemont an. Er ist oft dort gewesen, kannte viele Leute und seine Liebe zu der dort praktizierten Küche war schon fast sprichwörtlich. Selbstverständlich beeinflussten diese Reisen auch die Gerichte in den „Schweizer Stuben“, das war ja auch das erklärte Ziel. Mein Bruder Jörg und ich brachten damals französische Einflüsse in die „Schweizer Stuben“ ein und durch die Reisen kamen nun auch italienische Einflüsse und Produkte dazu. Verblüffender Weise sind diese Rezepte heute noch genauso interessant wie die Fotografien. Eine Bestätigung dafür, dass man mit guten Produkten zeitlose Klassiker kreieren kann.
Landestypische Produkte und Techniken
Auf diesen Reisen habe ich die weißen Trüffeln probiert und gleich mit nach Deutschland genommen. Wir haben wunderbare Winzer und ihre Weine kennen gelernt und konnten anschließend das Angebot der „Schweizer Stuben“ nach unseren Wünschen verändern. Die Idee war ja nicht nur, dass ich für die Bücher Rezepte auf Grundlage der Reiseerfahrungen entwickelte, sondern diese Erfahrungen und neuen Kenntnisse auch ganz praktisch in den Küchenalltag des Restaurants eingingen. Dabei habe ich Dinge gelernt, die man einfach nur in den Ländern vor Ort lernen kann. Wie bereitet man eine wirklich gute Pasta zu? Wie bekommt man Biss in die Pasta und welches Mehl verwendet man, um die beste Pasta herstellen zu können? So habe ich in Italien bei ganz wunderbaren Köchinnen gelernt, wie man ein Risotto zubereitet, das noch einen leichten Biss hat und Cremig zugleich ist. Entgegen der damals bei uns geläufigen Meinung, man müsse den Fond nach und nach zum Reis geben, wurde mir in Italien gezeigt, dass man den Fond zusammen mit dem Reis im Verhältnis 2:1 in den Topf gibt und anschließend eben nicht mehr rührt, sondern dem Risotto Zeit geben muss. Will man eine Küche studieren, muss man bei den Grundlagen anfangen und dann die Produkte und ihre landestypischen Zubereitungsarten kennenlernen.
Diese Reisen mit Adalbert Schmitt haben mich geprägt. Sie haben meine Liebe zu dieser Art der mediterranen Küche vertieft und nuanciert. Mehr noch: Ich merkte, dass Reisen für einen Koch ein ganz wichtiges Mittel darstellen, um neue professionelle Erfahrungen zu sammeln. Insofern waren diese Reisen auch die Grundlage, um später noch in anderen Ländern zu kochen. Es war für mich eine logische, konsequente Entscheidung nach den langen Jahren in den „Schweizer Stuben“ noch weitere Erfahrungen in anderen Ländern sammeln zu wollen.
Fusion kulinarischer Reiseerfahrungen
Bevor ich aus den „Schweizer Stuben“ nach Bergisch Gladbach ins „Schlosshotel Lerbach“ wechselte, hatte ich die Möglichkeit zu mehreren ausgedehnten Reisen. Ich kochte in den USA, auf Hawaii, in Australien und Thailand. In diesen Ländern repräsentierte ich auf Einladung der Ritz Carlton Gruppe die deutsche Küche.
Besonders beeindruckt hat mich mein Aufenthalt in Tokio, da ich in Japan so viele völlig neue Sachen kennenlernte. Ich konnte mir die Kobe Rinder ansehen und bekam gezeigt, wie sie die Rinder groß ziehen. Die japanischen Thunfischmärkte, auf denen wirklich tausende Thunfische lagen, die sofort versteigert wurden, haben mich sehr beeindruckt.
Das ganze Leben in dieser Stadt hat mich nachhaltig inspiriert. Ein Höhepunkt war sicherlich, wie ich als Europäer in ein traditionelles Restaurant eingeladen wurde. Dass dort der Koch mit einer Fritteuse und einem Wok direkt am Tisch stand und man reichte die frischen Speisen einfach nur weiter - das hat mich wirklich geprägt. Auch die japanischen Gemüse auf den dortigen Märkten zu entdecken, sie zu probieren und zu verarbeiten, war für mich eine wichtige Erfahrung. Erst war es Italien, dann die große Welt.
Durch diese Erfahrungen, konnte ich ein paar Ideen mit nach Lerbach bringen und hier einige asiatische Geschmacksrichtungen einbringen. So entstand beispielsweise mein „Cappuccino von Curry und Zitronengras“, ein Rezept, das ich heute noch auf Wunsch der Gäste auf der „MS Europa“ anbiete und dessen Ursprung in diesen Reiseerfahrungen liegt.