5 Zutaten für 10 Spitzenköche
Spätestens mit Blick in ein Kochbuch von besternten Köchen, kennt man das Problem: Zutatenlisten ohne Ende, oder Zutaten, von deren Existenz man zuweilen erst bei der Lektüre erfährt und Zubereitungszeiten jenseits der Möglichkeiten zu Hause.
Wie aber steht es mit einer stark begrenzten Zutatenliste? Was können Köche aus nur fünf klassischen Zutaten auf die Teller bringen?
Mit ihrem Konzept möchte Stefanie Hiekmann die Köche nicht aufs Glatteis, oder auf eine Probe stellen. Sie ist nicht an krachenden Küchendesastern, sondern an interessanten kulinarischen Lösungen interessiert Daher überlässt sie es den Köchen, mit welchen fünf Zutaten sie drei Gänge zaubern werden. Dabei geht es hier nicht darum, dass die Köche ein klassisches Menü zubereiten, als vielmehr drei unterschiedliche Gerichte mit den gleichen Zutaten kreieren sollen.
Abwechslung auf engem Platz
Die Aufstellung des Buches ist also übersichtlich. Den 10 Spitzenköchen stehen jeweils fünf Zutaten für ihre drei Gerichte zur Verfügung und damit es nicht komplett langweilig wird, dürfen sie für jedes Gericht – neben den Gewürzen – noch zwei Bonuszutaten auswählen. Auf diese Weise sollen kulinarische Möglichkeiten der ausgewählten Produkte ebenso aufgezeigt werden, wie die kleinen Unterschiede in Zubereitung und Präsentation, die das Kochen für Gäste auch zu Hause stressfreier werden lassen. Denn eines ist klar: wenn die Gastgeber gestresst in der Küche verschwinden, ist der Genusseffekt auch beim besten Essen zum großen Teil für den Besuch verpufft.
Christian Eckardt aus dem mit zwei Michelin Sternen ausgezeichneten Purs in Andernach eröffnet den Reigen. Seine Zutaten bestehen aus Rehwild, Knollensellerie, Walnüssen, Sauerteigbrot und Champignons. Abgesehen von Rehwild handelt es sich also durchaus um alltägliche Zutaten, die nun zu drei unterschiedlichen Gerichten verarbeitet werden sollen. Mit Preiselbeeren und Crème Fraîche gibt es eine Rehstulle mit Selleriestroh. Räuchermehl und Kerbel bringen geräucherten Sellerie als aromatischen Begleiter zu Rehschinken in Szene und Rehfond und Milch begleiten den rosa gebratenen Rehrücken, der mit Sauerteig-Crumble und Zweierlei vom Sellerie in Szene gesetzt wird. Was mit diesen Zutaten passiert wird - und das ist die nicht zu unterschätzende Stärke dieses Buches – nicht einfach in Rezepten oder Bilder festgehalten, sondern mittels einer umsichtigen Reportage, die auch an den geeigneten Stellen Platz für Tipps einräumt, anschaulich und nachvollziehbar erläutert. Ganz nebenbei kann man sich auf diese Weise selbst Gedanken darüber machen, was man beim nächsten Essen für Gäste sinnvoll schon im Vorfeld vorbereitet hat und wie man Details – wie hier die Sellerienester - präzise ausarbeitet. Oder wie man sich durch Einsatz ausgesuchter Convinience-Produkte wie hier der Preiselbeeren aus dem Glas, oder dem fertig gekauften Sauerteigbrot, eine Menge Arbeit sparen kann.
Dabei ist der Blick der Autorin stets nah am Koch, den sie anhand seiner Überlegungen im Vorfeld und seiner Zitate am Herd überaus persönlich portraitiert und zugleich bei den unterschiedlichen Schritten der Zubereitung, die durch persönliche Hinweise noch angereichert werden und so ihren dogmatischen Zug verlieren. Der Leser erhält nicht einfach Rezepte als Handlungsanweisung, sondern Vorschläge als Instrument für eigene kulinarische Experimente in der Küche. Und natürlich – es gibt auch den ganz klassischen Rezeptteil.
Zu Gast in der Küche
Dabei blickt der Leser immer wieder in die Küche des jeweiligen Restaurants. Stets zu einer Zeit außerhalb des Service. So erlebt man eine andere Küchenstimmung jenseits der immer gleichen Bilder von der Hektik und Hitze. Die Köche nehmen sich Zeit, um ihre Zutaten umsichtig zu einer Gangfolge zu komponieren, die auch für den Kochlaien nachvollziehbar und umsetzbar ist. Und ganz nebenbei fühlt man sich wie ein Gast bei den Köchen, deren Ideen man gerade zu den Rezepten serviert bekommt. Und natürlich erhält man anregende Tipps, sei es, das Einfach neu zu entdecken, die Vorbereitung in der Küche so vollständig wie möglich vor dem eigentlichen Kochen abzuschließen, oder auch mal herzhafte Elemente im Dessertbereich zur Anwendung zu bringen – das Dessertkapitel steht gerade um diesen Aspekt zu unterstreichen für sich und wird durch Andy Vorbusch perfekt in Szene gesetzt, in dem er zeigt, wie man Rote Bete in drei verschiedenen Varianten grandios im Dessertbereich nicht nur zur Anwendung, sondern zu ungeahnter geschmacklicher Blüte bringen kann. Hier wird nicht nur mit Brot und Kartoffeln, sondern auch mit Dill, Gurke, Senf, Weißkohl und Schweinefleisch gekocht. Hier verrät Sarah Henke, welche Umwege sie in ihrem Leben nehmen musste, bis sie ihren ganz persönlichen Stil entwickelt, den Sie nun in ihrem Restaurant Yoso in Andernach umsetzt.
Persönlichkeit
Das Buch entwickelt aus seinem durchdachten Konzept, besonders aber durch die Nähe der Autorin zu den ganz unterschiedlichen Köchen eine ganz eigene Qualität. Denn die Reportagen, die aufgezeigten Gedankengänge der Köche, die damit verbundene Auswahl der Zutaten und die Qualität der präsentierten Gerichte, zeigen anschaulich, wie die einzelnen Protagonisten auf die Aufgabe herangegangen sind. So hat der Leser nicht nur die Auswahl, seine persönlichen rezept-Favoriten zu treffen. Es passiert etwas anderes: Er kann die Persönlichkeit des Kochs ein wenig kennenlernen und darüber einen anderen Bezug zu den Rezepten aufbauen. Und schnell bekommt man Spaß daran, aus allen vorgestellten Zutaten etwas zu kochen. Es sind ja jeweils nur fünf.
Mit Verweis auf dieses wunderschöne Buch kann man also - auch beim Blick in den vielleicht nicht prall gefüllten heimischen Kühlschrank - anregen: „Koch was draus.“
Tartuffel empfiehlt:
Stefanie Hiekmann: Koch was draus. Was Spitzenköche aus 5 Zutaten zaubern. 240 Seiten, geb., EMF Igling 2019, 30,00€