Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Kleine Ladentheke - Großer Käsegenuss | © Tartuffel

Einige Kleinigkeiten - große Kunst

Es ist ein kurzer Weg und eine lange Reise. Es sind Kleinigkeiten und es ist jahrelange Erfahrung. Es ist so einfach, dass es nur wenige können. Es ist ein Naturprodukt in dem jede Menge Kultur, in Form von sauberem Handwerk, Wissen und Können steckt. Wir kehren ein, in einen kleinen, fast unscheinbaren Laden, der einen die Welt des Käses neu entdecken lässt. Denn hier werden exzellente Produkte veredelt und dieser Krönungsprozess hat einen Namen: Antony.

Einkehr ims Käseparadies Antony

Die trubelige Messe in Basel lässt ein kleines Zeitfenster. Lang genug für einen kleinen Abstecher ins benachbarte Elsass und in eine andere Welt. Denn im malerischen Ort Vieux-Ferrette, der - wie der Name schon andeutet - ein wenig aus der schnelllebigen Zeit gefallen zu sein scheint, haben wir ein Ziel: Wir möchten den Laden der Antonys besuchen und  - so die Hoffnung – dem Geheimnis der wohl besten Käse-Affineure unserer Zeit auf den Grund gehen.

Das Geschäft ist klein und übersichtlich, die Käsetheke selbst nicht einmal überraschend groß und dennoch werden von hier aus alle besternten Gastronomiebetriebe mit Käse beliefert – wenn sie sich denn als gut genug erweisen, um den Käse des Hauses auch präsentieren zu dürfen. Denn so sieht es aus. Man braucht hier keine neuen Kunden, man sucht sie sich aus. Allerdings nicht im kleinen Laden, der funktioniert wie eh und je. Man kommt rein, schaut, lässt sich beraten und kauft den Käse, der hier zu seiner Vollendung reifen durfte. Ein Abstecher – auch ein großer – sollte bei jeder Reise eingeplant werden.

Knapp 100 Sorten Käse reifen in den sechs unterschiedlich belüfteten Kühlhäusern bis sie so weit sind, dass sie nicht mehr besser werden können. Wann das so weit ist kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Käse ist ein Naturprodukt und diese Eigenschaft - die an manchen Orten als Umstand beschrieben wird - wird hier ernst genommen.

Jahrzehntelange Erfahrung

Schon das kleine Haus, in dem Laden und Reifekeller untergebracht sind, zeigt an, dass wir hier einen klassischen Familienbetrieb vorgefunden haben. Vater Bernard hat die Tagesgeschäfte weitestgehend an seinen Sohn Jean-François übergeben, um sich in erster Linie ein Bild von den eigenen Kunden machen zu können. Doch wie kam es dazu, dass hier im Elsass eine Familie im Ruf steht, die besten Käse – ja was eigentlich? – zur Vollkommenheit reifen zu lassen?

Bernard Antony war Vermischtwarenverkäufer, bevor er zufällig auf das Buch „Guide de Fromage“ des Spitzen Affineurs Pierre Androuët aufmerksam wurde. Auf einmal hatte er sein Thema, seine Passion gefunden. Er lernte alles über Käse, was es seiner Zeit zu wissen gab, er lernte zentrale Hinweise zur Herstellung und er lernte zahlreiche Produzenten kennen. 1983 eröffnete er seinen eigenen Laden mit Reifekeller. In den nun folgenden Jahrzehnten hat er sich zu einem Meister seiner Zunft entwickelt. Und da die hier gereiften Käse so anders schmecken, als die gleichnamigen Käse, die man im Supermarkt kaufen kann, stellt sich also die Frage, was diesen Unterschied ausmacht.

Maître fromager affineur

Was aber genau macht ein Affineur? „Am besten macht er gar nichts“ sagt Jean-François Antony in unserem Interview. Und sein Lächeln bedeutet, dass dies ein Ideal für ihn darstellen würde. Und doch geht es weniger um Tätigkeiten im Sinne eines Produzierens, als viel mehr um sinnliche Eindrücke und umgesetztes Wissen. Denn einen Affineur – so deutet die nun folgende lange Pause an – benötigt vor allem Zeit und Geduld, um zu erkennen, wann ein Käse perfekt gereift ist. Wann das aber ist, hängt vom Käse ab – von jedem einzelnen. „Denn jeder Käse zu jedem Tag, zu jeder Jahreszeit ist anders.“

„Und“, so Jean-François, „es beginnt alles mit der Milch. Wenn ein Tier Stress hat, es ihm nicht gut geht, dann merkt man dies der Milch an. Um gute Milch zu erhalten, braucht das Tier eine natürliche Umgebung, es muss grasen können. Es darf nicht in zu großen Herden stehen und es muss gut behandelt werden.“ Aber die Milch alleine macht noch keinen Käse, doch es ist wichtig, dass die Milchproduzenten auch Käse produzieren, denn nur so ist gewährleistet, dass sie selbst auf die Qualität der Milch achten. „Damit die Tiere die besten Rahmenbedingungen erhalten, ist es nötig, dass die Betriebe nicht zu groß werden. Wenn sie selbst Käse herstellen, wissen sie um die Notwenigkeit einer guten Milch und achten darauf.“ Die Käse dieser Produzenten, die man alle über die Jahre kennen gelernt hat werden aber nicht im jungen Stadium eingekauft. „Man weiß noch nicht, wohin sich diese kleinen Kinder während ihrer weiteren Reifung entwickeln werden, daher beziehen wir nur schon bereits etwas gereifte Käse, bei deren Potential wir sicher sind, sie wirklich gut werden zu lassen. Und“ schon wieder dieses Lächeln „es ist einfach, man braucht dann nur einen Reifekeller, etwas Zeit, eigentlich kann es jeder machen.“ Jeder, der über Jahrzehntelange Erfahrung, das nötige Wissen und ein passendes Netz an Produzenten verfügt, sollte man an dieser Stelle noch hinzufügen. 

Was ein Käse

Nun aber sitzen wir in diesem eher schmucklosen, als atemberaubenden kleinen Raum, der aber – so zeugen die Bilder und Wimpel vorangegangener Gäste – schon eine Menge erlebt hat und so in seiner schlichten Unscheinbarkeit bestens hierher passt. Großes Wissen schlicht gehalten und probieren den aufgetischten Käse. Neun verschiedene Sorten werden uns präsentiert. Machen wir es an dieser Stelle kurz, die Käse, die wir nicht zuvor schon gekannt haben sind gut, aber die, die wir schon geschmacklich als Sensationen in unserem Geschmacksgedächtnis abgespeichert haben, werden hier vom Olymp gestoßen. Einen gesamten Sommerurlaub verbrachte ich in der Auvergne, um den Geschmack der dortigen Käse zu studieren. Später erfreute mich das Angebot eines Supermarktes, der an seiner Käsetheke einen Saint Nectaire bereit hielt, anscheinend, um meine Urlaubserinnerungen kulinarisch aufzufrischen. Später dann aber die Enttäuschung, der Käse war aus pasteurisierter Milch hergestellt, hatte wohl unter Plastik eine atemberaubende Lagerung erfahren und geschmacklich nichts mit der Lebendigkeit des Urlaubskäses zu tun. Er erinnerte eher zäh an geschmackliche Langeweile. Nun aber dieses schmale Stück hier auf dem Teller. Auch er hat wenig mit dem erinnerten Geschmack zu tun, schon der Geruch würziger, intensiver. Der Geschmack mehr als überzeugend. Wie gut, dass man als Affineur nichts tun muss.

Jean-François erkennt unsere Begeisterung und nun weicht sein zurückhaltendes Lächeln einem zustimmenden Lachen. „Wir machen nichts, wir geben dem Käse nur unsere Unterschrift. Und damit machen wir den Käse froh.“

Das Leben ist zu kurz für langweiligen Käse. Es wird Zeit für fröhlichen Käse.

 

 

Tartuffel empfiehlt Einkehr bei:

Bernard & Jean-François Antony 

Elsass 5 Rue de la Montagne, 68480 Vieux-Ferrette

 

 

Mehr auf Tartuffel